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Das Ritual der Gleißenden Dämonen (German Edition)

Das Ritual der Gleißenden Dämonen (German Edition)

Titel: Das Ritual der Gleißenden Dämonen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Balzter
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fasste sie mit eisernem Griff um ihren Hinterkopf. Sie hatte das Gefühl, als könne er ihren Schädel mit dieser einen Hand in jedem Augenblick zerquetschen. Langsam bewegte er ihr Gesicht Richtung Boden.
    „Ich habe eine Idee. Wir werden einfach auswürfeln, ob ich Ihnen glaube. Was halten Sie davon? Achten Sie darauf, wie meine beiden Würfel zu Boden kommen. Sehen Sie genau hin.“
    Seine linke Hand öffnete sich, die beiden Gegenstände fielen mit kaum hörbarem Aufprall auf den grauen, abgenutzten PVC-Boden, und Gerlinde Tönges begann zu schreien.
    Vor ihr lagen zwei menschliche Fingerknochen.
    „Sie sind überkreuz gelandet“, stellte Palazuelo sachlich fest, während die Leiterin des Sleep-In immer noch schrie. „Das sieht nicht gut aus für Ihre Glaubwürdigkeit.“ Er zog sie zu sich heran, bis ihre Nasen sich beinahe berührten. „Sie haben jetzt noch eine und genau eine Chance, mir die Wahrheit zu sagen. Kennen Sie eigentlich gato negro ? Das ist ein Würfelspiel aus meiner andalusischen Heimat. Leider bin ich etwas in Eile und kann Ihnen die Regeln jetzt nicht im Detail auseinandersetzen. Aber man benötigt auf jeden Fall zehn Würfel dafür. Genau zehn. Ich würde es gern wieder einmal spielen ...“
    Er umfasste ihren rechten kleinen Finger mit seiner großen, breiten Hand.

44. Kapitel
     
    „Spielen mit“, radebrechte der dunkelhaarige Mann mit dem kräftigen Schnauzer, „sagen unterr was Hütchen die Errbse! Sehen Mann hierr, hat gerrade gewonnen eintausend Eurro gegen mich. Ist nix Schmu! Frragen ihn selbst!“
    Lea warf einen abfälligen Blick auf den glücklichen Gewinner, der zu dem Hütchenspieler eine merkwürdige Ähnlichkeit aufwies. Zufälle gab es doch im Leben!
    „Kein Bedarf“, murrte sie und versuchte dabei möglichst stark und entschlossen zu klingen. Keine leichte Aufgabe, wenn man ohne Heimat und ohne Freunde an einem lausig kalten, dunklen Januarabend in einer unbekannten Stadt unterwegs war.
    Sie beschleunigte ihren Schritt und holte im Laufen die kleinen bunten Heftchen aus ihrer Manteltasche, die Frau Tönges ihr gegeben hatte. Sie enthielten eine Reihe von Adressen und Informationen darüber, wo und wie sie für die Nacht unterkommen konnte. Im Sleep-In gab es solche Heftchen kistenweise – da man dort nicht lange bleiben konnte, war eine der wichtigsten Aufgaben des Hauses die Weitervermittlung an andere, längerfristige Übernachtungsplätze.
    Wie schnell es doch ging, von einer wohlsituierten, wenn auch latent unzufriedenen Mittelschicht-Tochter zur Obdachlosen abzusteigen, die nicht mal weiß, wo die nächste Mahlzeit herkommen soll. Leas Hände zitterten ein wenig, als sie die Adressen durchging. Nie, niemals hätte sie geglaubt, einmal auf solche Adressen angewiesen zu sein.
    Hilfen für wohnungslose Menschen in Frankfurt am Main, Heft 1: Beratungsstellen. Nein, das war es nicht. Heft 2: Vorübergehende Unterkunft. Das Sleep-In war natürlich auch aufgeführt, und eine Menge Anlaufstellen für Drogenabhängige. Aber auch zwei Frauenhäuser (nur mit Telefonnummern) und zahlreiche „Übernachtungshäuser für Frauen“ (mit Straße und Hausnummer). Die würden sie wahrscheinlich nicht abweisen, oder? War sie denn schon eine Frau? Oder war sie ein Mädchen? Mit fünfzehn war man eigentlich eher Letzteres, aber nach allem, was in den letzten Monaten vorgefallen war, fühlte sie sich unendlich alt und desillusioniert. Erwachsen, mit einem Wort.
    Heft 3: Übergangseinrichtungen. Was war nun der Unterschied zwischen Übergangseinrichtungen und vorübergehender Unterkunft? Außerdem gab es noch ein Heft 9, Hilfen im Winter, aber außer einem „Kälte-Bus“, der bei ihrem Glück sicher nicht gerade jetzt hier vorbeifahren würde, enthielt es nur die Häuser aus den anderen Heften noch einmal.
    Sie versuchte gerade abzuschätzen, welches der „Häuser für Frauen“ in erreichbarer Nähe lag, als sie von hinten angesprochen wurde.
    „Guten Abend. Könnte ich mich einen Moment mit dir unterhalten?“
    Sie fuhr erschrocken zusammen, drehte sich um und blickte in die blaugrauen Augen eines jungen Polizisten. „W-Worüber denn?“, stammelte sie.
    „Ich habe dich vorhin aus dem Sleep-In kommen sehen mit diesen ganzen Obdachlosen-Broschüren und dachte, die sieht aber nicht aus wie die übliche Klientel.“
    „Ich wusste nicht, dass es einen Dresscode für Obdachlose gibt.“
    Der Polizist lachte kurz und nahm seine Mütze ab. Er hatte braunes Haar, leicht

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