Das Ritual der Gleißenden Dämonen (German Edition)
zog.
„Nein!“
Sie trat mit dem anderen Fuß zu, und die Hand ließ los. Im selben Moment sprang sie über den schmalen Grat und landete auf dem Beton der anderen Seite.
Die Landung fühlte sich an, als würden tausend Höllenkrallen ihr verletztes Bein in Stücke reißen. Der Schmerz war unerträglich, ihr wurde übel, und als die Sterne aufhörten, vor ihren Augen zu tanzen, spürte sie das warme, feuchte Blut, das einmal mehr ihre Jeans durchtränkte.
„Nein.“
Sie sah sich um. Die Einfahrt führte zu einer Garage, deren Tor fest verschlossen und mit einer rot blinkenden Alarmanlage versehen war. Links eine Wand. Rechts eine Wand. Super, Lea!
Wütend schlug sie mit beiden Fäusten auf den Asphalt, schloss die Augen und wartete darauf, dass der Arm des Gesetzes sich um ihre Schulter legte, um sie abzuführen.
Aber nichts geschah.
Lea öffnete ihre Augen. Schaute zur Straße hin.
Dort lag ein lebloser uniformierter Körper. Über ihm stand breitbeinig ein blonder, muskulöser Mann mit einem Dreitagebart im Gesicht und einem auf etwa siebzig Zentimeter abgesägten Besenstiel in der Hand. An dem Besenstiel klebten ein paar leicht wellige, braune Haare.
„Wollen Sie mich retten oder töten?“, fragte Lea ernst.
„Ech hon de Geschicht e bisse mitgekricht“, nuschelte der Blonde. Seine Stimme war nicht unangenehm, ein bisschen rau vielleicht, so als ob er zu viel rauchen würde. Aber was war das bloß für ein abgedrehter Dialekt? Er klang entfernt hessisch, und Lea glaubte das meiste zu verstehen. Aber in und um Eschersbach hatte sie diesen Zungenschlag definitiv noch nie gehört.
„Hon gedoacht, dä Mistkearl geht d’r off’n Sack“, fuhr der Mann lakonisch fort.
„Das dürfte ihm schwerfallen, wo ich doch nicht mal Hoden habe.“
„Bist net off’n Kopp gefalle, hä?“
„Warum haben Sie das getan? Es hätte Ihnen egal sein können, ob er mich verhaftet.“
„Emmer langsam mit de jonge Gül. Will mich erscht emol fürställ. Ich sen Hunter. De Jäjer.“ Das englische Wort ragte wie ein Fremdkörper aus seiner sonstigen Aussprache heraus.
„Hunter? Ist das Ihr Vor- oder Ihr Nachname?“
„Eifach min Noome. Wenn de vom Hunter äbbes erzähls, kännt mich jeder. Bei uns frächt känner nach em Ausweis.“ Er grinste und offenbarte eine Zahnlücke statt des linken oberen Schneidezahns, und Lea musste unwillkürlich an die alten MAD-Magazine denken, die sie mit zwölf so gerne gelesen hatte. Sie lächelte.
„No also, kannst ja gelach. Komm erscht emol do ruis. Komm zum Babba.“ Er griff mit seinen Händen durch die Gitterstäbe des Tores und bildete eine Räuberleiter für sie, auf die sie mit ihrem unverletzten Bein steigen konnte.
Als er sie auf der anderen Seite heruntergehoben hatte, wiederholte sie: „Ich kann mir immer noch nicht vorstellen, was Sie für ein Interesse daran haben könnten, mir zu helfen.“
„Nochher! Komm erscht emol fort heer. Der kömmt schnell widder zo sich. Hunter is kein Möader, wenn's net sei muss. Un der do hat mich net geseah, war hinner’m, musst also net sei. Bin doch an goude Katholik, wie alle uis Foll! Kömmste?“
Alle aus Foll? War das ein Ortsname? Aber wer würde ein Dorf oder eine Stadt „Foll“ nennen? Andererseits, es gab ja schließlich auch Leer …
Beim Versuch zu gehen trat Lea auf ihren blutüberströmten rechten Fuß und schrie vor Schmerz laut auf.
„Seh scho, dir get’s net so goud.“
„Bitte ... ich brauche einen Arzt, glaube ich. Es blutet so viel ...“
Der Mann, der sich Hunter nannte, nahm sie an Hüfte und Kniekehlen und hob sie hoch. Kam es jetzt noch darauf an, ob sie ihm vertrauen konnte? Hatte sie eine Wahl? Sie hielt sich an seiner Schulter fest und schloss die Augen.
Eine Viertelstunde oder eine Ewigkeit später kamen sie zu einer alten, verlassenen Fabrikhalle. „Dos is nur de Lieferande-Eigang“, sagte Hunter grinsend und stahl sich durch eine aus den Angeln gehobene Tür in das Gebäude.
Drinnen stand alles voller Holzkisten, die aber zum Großteil zerbrochen waren. Der Boden der Halle war mit Sand bedeckt.
„Was wird das hier? Urlaub in der City mit Strandkorb und Sonnenschirm?“
„Dos säet dr alles gleich de Chefin.“
„Was mich zu der Frage zurückbringt, was ich eigentlich hier mache. Außer darauf hoffen, dass deine Chefin einen guten Arzt kennt.“
„Dos wird se dr gleich selber soan. Un en Dokter ham mer auch. Bruche mer nämlich auch öfter emol.“
Er stieß eine Kiste
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