Das Ritual der Gleißenden Dämonen (German Edition)
Wort käme vom sprichwörtlichen Fleiß der Ameisen ... Emse muss ein altes Wort für Ameise sein.“
„Ameise, Saft, Ameisensaft ... meint sie etwa Ameisensäure?“
„Scheint fast so. Die 'Urtica' ist leichter zu googeln. Das ist die Gattung der Brennnesseln.“
„Wir brauchen also Säure! Holy Shit, wo sollen wir die denn herkriegen?“
„Viel eher würde mich interessieren, wie wir die an den Vampir bringen sollen. Etwa mit Wasserpistolen?“
„Darüber machen wir uns später Gedanken. Hör zu, ich kenne nur einen Ort in der Nähe, wo in größeren Mengen Säure aufbewahrt wird.“
Lea stimmte ihm zu. Sie wusste, welchen Ort er meinte. „Dann werden wir diesen Ort noch heute Nacht aufsuchen müssen. Und was ist nun mit unserem sicheren Tod?“
Bülent räusperte sich. „Ich habe mal nach dem Namen dieser Nonne gegoogelt. Sie hieß Pia von Caldern, genannt die Barmherzige.“
„Eine Adlige?“
„Wie? Äh, nein, das 'von' heißt wohl nur, dass sie halt da herkam oder zumindest in diesem Kloster gelebt hat. Jedenfalls stieß ich gleich beim ersten Suchergebnis auf eine Novelle aus den zwanziger Jahren, in der rein zufällig eine 'Pia die Barmherzige von Caldern' vorkommt ... eine Vampirgeschichte! Lustiger Zufall, was? Es kommen noch mehr Zufälle. Die Geschichte heißt Leo . Der Titelheld ist natürlich ein Vampir. Auf Seite 23 steht sein voller Name.“
Lea öffnete die entsprechende Datei. „Leo Urbano la Paz. Nie gehört. Was soll uns das weiterhelfen?“
„Denk mal nach: Ein literarischer Vampir – in genau der Geschichte, die gleichzeitig auch unsere Vampirexpertin Pia von Caldern erwähnt. Und der Vampir heißt Leo U. la Paz. Klickt da was?“
„Verdammte Hacke! Das ist ein Anagramm von ...“
„... Palazuelo! Ta-daa! Willkommen im Club der Detektive. Und jetzt lies mal die Seiten dreißig bis zweiunddreißig, wo die Vorgeschichte unseres Vampirs erzählt wird.“
„Du glaubst wirklich, dass die Geschichte direkt von unserem Palazuelo handelt?“
„Irrtum ausgeschlossen. Sieh dir das mal an! Geboren wurde unser Leo vor knapp dreihundert Jahren als Sohn eines Gutsbesitzers in ... wie soll man denn das aussprechen ... Jerez de la Frontera. Mit drei Jahren und neun Monaten kriegt er erste Fechtstunden. Kleiner Wunderknabe, nicht wahr? Doch die schicksalhafte Wendung folgt sogleich: Als er fünf ist, wird sein Vater bei einem Duell getötet. Unmittelbar danach fallen Plünderer über das nun herrenlose Anwesen her, vergewaltigen und töten seine Mutter in seinem Beisein und hetzen dann wilde Tiere auf ihn ...“
Lea schnappte nach Luft.
Bülent fuhr ungerührt fort: „Ja, hätte 'ne sehr kurze Geschichte werden können. Aber jetzt kommt's: Er tötet diese Viecher und entkommt! Lebt im Exil bei Verwandten, wo er zum jungen Mann heranwächst. Das hier muss ich mal kurz vorlesen: 'Seit der verhängnisvollen Niederlage seines eigenen Vaters schien sein Leben aus der Bahn geworfen. So schwor er sich mit vierzehn Lenzen, niemals mehr in einem Kampf der Schwächere zu sein.'
Das scheint auch geklappt zu haben. Mit fünfzehn kehrt er zurück nach Jerez. Der Chef der damaligen Räuberbande hat sich inzwischen durch diverse Intrigen das Anwesen unter den Nagel gerissen und lebt dort mit seiner Familie als geachteter Bürger. Seine früheren Kumpane hat er nämlich selbst um die Ecke bringen lassen, deshalb wird er vor Ort als Retter vor den Räubern geehrt.
Palazuelo ... äh, Leo fordert ihn zum Duell mit dem Degen. Sein Widersacher lockt ihn in einen Hinterhalt, aber anstatt sich massakrieren zu lassen, tötet er seine zahlreichen Feinde und knöpft sich anschließend den Hauptmann vor. Er schlägt ihn bewusstlos und nimmt ihn mit zurück zu seiner Villa, also eigentlich der von Leos Vater.
Dort bindet er ihn auf einem zentralen Platz an einen Pfahl und legt Feuer im Haus. Der frühere Räuberhauptmann hört die Todesschreie seiner Frau und seiner Kinder, die von den Flammen eingeschlossen sind, aus dem oberen Stockwerk gellen.
Als das Haus lichterloh brennt und die Schreie verstummt sind, widmet sich unser 'Held' dem Mann selbst. Die Erzählung erspart uns die Details, aber es heißt, bis zu seinem letztendlichen Tod seien Wochen und Monate vergangen.
Leo ist nun aber heimatlos und geächtet, da er wegen dieses grausamen Vergehens an einem ehrbaren Bürger steckbrieflich gesucht wird. Er lernt was fürs Leben: Gerechtigkeit, oder was er darunter versteht, wird bestraft.
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