Das Ritual der Gleißenden Dämonen (German Edition)
scheint so, als hätte der hier am meisten davon verstanden. Aber jetzt ist es vorbei, hörst du? Du heulst ihm noch ein bisschen nach, und dann bist du wieder die Alte. Ganz bestimmt. Okay?“
Sie nickte, unschlüssig und ohne Überzeugung.
84. Kapitel
Während sie mit kleinen, regelmäßigen Bewegungen an Hand und Füßen versuchte, ihren Kreislauf wieder auf Touren zu bringen, der vom Blutverlust etwas angeschlagen war, fragte sie Bülent, wie er es doch noch geschafft hatte, ihr nachzufolgen.
„Im Grunde war es nicht so schwierig“, wehrte er ab.
„Du hast dir also gedacht, dass der Spiegel irgendetwas Schwarzmagisches von Palazuelo ist und man ihn deshalb auf Spanisch ansprechen muss? Wow!“
„Na ja, so ähnlich. Nachdem ich alles aus meinem Hinterkopf abgerufen hatte, was irgendwie mit Zauberformeln zu tun hat, und nichts davon wirkte, hab ich mich frustriert in eine Ecke gehockt und gewartet. Und nach einer Zeit, die mir absolut ewig vorkam, weil ich dachte, du bist bestimmt schon tot oder ohne mich die Heldin des Tages oder ... also, nach ziemlich langer Zeit jedenfalls kam tatsächlich einer von den Blutsaugern zu mir rein.“
„Er hat dich angegriffen?“
„Kein Stück. Dabei hat er mich eindeutig gesehen. Ich glaube, es war einfach völlig unvorstellbar für ihn, dass ich ihm feindlich gesonnen sein könnte. Er hat mich behandelt wie 'nen neuen Garderobenhaken, weißt du, du guckst ihn mal an, aber du widmest ihm nicht wirklich deine Aufmerksamkeit.“
„Simon war ebenfalls nicht überrascht, einen Menschen hier zu sehen. Ich glaube, Elisa sorgt hier für regelmäßigen Nachschub – an Nahrung.“ Der Gedanke jagte ihr einen Schauer über den Rücken.
„Jedenfalls kann ich ganz ruhig zusehen, wie der Kerl an dem Spiegel etwas rumfummelt und dabei auf Tschechisch flucht wie'n böhmischer Seemann, klang sehr lustig, leider hab ich natürlich kein Wort verstanden, aber dass es ein Gefluche war, hat man deutlich gehört. Vielleicht so was wie 'Welcher Vollidiot hat hier schon wieder den Stecker gezogen?'.“
„Das war Simon. Er ...“ Sie musste sich selbst zwingen, an ihren Satz zu glauben: „Er wollte mich ungestört töten. Deshalb hat er dieses Ding deaktiviert.“
„Hätte wohl besser abgesprochen werden müssen. Unser Neuankömmling murmelte jedenfalls irgendwas auf Spanisch, was den Spiegel wieder gangbar zu machen schien, und hatte schon fast die Hand drauf, da spritzt der unbeachtete neue Garderobenhaken plötzlich mit Säure um sich, und die Spiegel-Passagierliste erfährt eine kleine, aber nicht unwesentliche Änderung. Abgang Bülent, Schnitt, Auftritt Bülent in den Katakomben, Retter-in-der-Not-Szene, abschließende Dankbarkeitsbekundungen.“
„Hm ... danke.“
„Och, hast du das etwa als Aufforderung betrachtet?“, fragte er scheinheilig. „Würde ich doch nie ...“
„Du bist unverbesserlich“, rief sie lachend, griff neben den Kamin und warf ein kleines Holzscheit nach ihm, das er auffing. „Kindischer Egomane! Gamezocker! Lebensretter! Verwöhntes Balg! Mein Held!“
Bevor er wusste, was geschah, sprang sie auf ihn zu, gab ihm einen Kuss auf die Stirn und ging dann zu dem Schrank, in dem ihre Säurepistole lagerte. Den Schlüssel entdeckte sie nach kurzer Zeit in dem Häuflein Asche, das die letzten Überreste von Simon dem Wanderer darstellte.
Sie wog die Waffe kurz in ihrer Hand. Zumindest wussten sie jetzt um ihre Wirksamkeit.
„Gehen wir weiter“, seufzte sie.
Die Tür war von innen verriegelt gewesen, aber sie hatten den Riegel ganz leicht öffnen können, und so durchstreiften sie nun die geheimen Kellergewölbe des Hauses in der Křižovnická.
„Weißt du, was ich mich gefragt habe?“, wollte Lea flüsternd wissen, während sie einen mit Kerzen erleuchteten Gang entlanggingen.
Bülent sah sie nur fragend an, und sie fuhr fort: „Warum hat Lucy uns nicht gleich in Frankfurt verraten? Warum diese Show mit den Polizeiautos auf der Raststätte? Sie hätte jedem in dieser behelmten Demo-Truppe sagen können, sie weiß, wo Lea Leonardt ist, Eschersbach Jörg Uglik Mord Satanisten bla bla bla, und wir wären niemals nach Prag gekommen. Stattdessen zieht sie diese James-Bond-Nummer mit dem Handy als Peilsender ab. Warum nur?“
„Hab ich mich auch schon gefragt. Aber dazu müssten wir mehr darüber wissen, wie Palazuelo seine Knechte umdreht. Ich vermute, er kann nicht einfach so die komplette Persönlichkeit austauschen, denn
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