Das Ritual der Gleißenden Dämonen (German Edition)
nur noch warten, bis er aufwacht.“
„Dann will ich jetzt wissen, wie Sie hierherkamen.“
Ritterbusch lachte kurz. „Nun, wie du weißt, warst du ja meine Hauptverdächtige in zwei Mordfällen. Große Sache also. Ich dachte zwar nicht direkt, dass du diese Leute angebissen hast, aber ich hatte das Gefühl, du hängst da irgendwie mit drin. Hab also vor Freude im Karree getanzt, als ich in Frankfurt zufällig deiner Mutter über den Weg gelaufen bin. Nahm sie mit auf die Wache und interviewte sie ein bisschen.“
„Wir hätten sie doch mitnehmen sollen“, murrte Lea, „das ist ja schön schiefgegangen.“
„So schief, dass du sogar noch am Leben bist“, erinnerte Ritterbusch. „Während also Frau Leonardt bei mir im Büro sitzt, kommt die Meldung rein, ein Mädel habe ihre Handynummer dagelassen und gesagt, dass sie dich heute noch trifft. Das hab ich natürlich Frau Leonardt gleich brühwarm aufs Brot geschmiert. Tja, und dann hat sie mir alles erzählt.“
„Logisch. Sie haben sie wahrscheinlich viel zu sehr eingeschüchtert, als dass sie ...“
„Na na na. Unterschätz mal nicht deine alte Mutter. Die hat noch einiges auf dem Kasten, und Mumm hat sie für zehn! Die hätte nichts erzählt, wenn sie nicht gewollt hätte.
Aber sie wollte, und das allein war schon mutig. Hat mir in aller Seelenruhe ausgebreitet, was passiert ist und was ihr vorhabt. Ich hätte sie ohne Probleme dabehalten können, allein wegen Beihilfe zu dem Einbruch in die Schule. Abgesehen davon wäre sie nach dieser Story eigentlich reif gewesen für eine psychologische Untersuchung.“
„Das wäre ungefähr das, was ich von Ihnen erwartet hätte.“
„Na, du hast ja eine hohe Meinung von mir!“
„Ich hatte keinen Anlass, diese Meinung zu bessern, bis Sie mir aus dem Nichts heraus das Leben gerettet haben, wo Sie mich doch eben noch als verrückte Mörderin ins Gefängnis stecken wollten.“
„Keiner wollte dich ins Gefängnis stecken, Lea. Jedenfalls nicht unbedingt. Ich wollte dir einfach ein paar Fragen stellen und dann mal weitersehen. Aber dazu kam es ja nicht mehr. Frau Leonardt erzählt also. Und sie wirkt ja nun nicht wie eine Satanistin oder Spinnerin, eher brav ...“
„Erzählen Sie ihr das besser nicht!“
„... und trotzdem erzählt sie von Vampiren. Das hat mich ins Nachdenken gebracht. Und obwohl mich dreißig Jahre Polizeidienst eigentlich auf das Gegenteil gepolt haben, bin ich wieder auf meinen Nietzsche gekommen.“
„Und was sagt Nietzsche zu Vampiren?“
„'Tatsachen gibt es nicht, nur Interpretationen.' Also habe ich mal interpretiert. Zum Beispiel die Autopsie des Kollegen Reser, der letzten Sommer angeblich von einem Bären getötet wurde. Ich sprach noch einmal mit unserem Gerichtsmediziner. Und? Er hat nie an einen Bären geglaubt, wollte sich damit aber nicht aus dem Fenster lehnen, weil er keine Idee hatte, welches Wesen sonst solche Wunden verursachen könnte.
So verdichteten sich die Indizien. Am Ende dachte ich, falls – nur falls – da was dran ist, dann will ich vorbereitet sein. Deine Mutter hat mir von den Pflöcken erzählt, von euren Recherchen. Was ist ein Pflock? Er ist spitz und aus Holz, also zählte ich zwei und zwei zusammen, lief stracks zum Museum und konfiszierte diese Armbrust mit dem Verweis auf den Kampf gegen den internationalen Terrorismus. Den Rest kennst du.“
Lea musste anerkennend nicken. Man merkte dem alten Mann an, dass sein Weltbild ganz schön durcheinander geraten war, aber dafür schlug er sich wacker.
„Und Sie sind ganz alleine hier?“, wollte sie wissen. „Kein Dutzend Streifenwagen, keine Kavallerie?“
„Ich bin bei der Prager Kavallerie etwas angeeckt, als ich von ihnen verlangte, sich mit Armbrüsten und Säurepistolen auszurüsten. Dann habe ich überlegt, was bringt es mir, wenn sie mich mit ihren Dienstpistolen begleiten? Wenn wir's wirklich mit Vampiren zu tun haben, wäre ich aller Wahrscheinlichkeit nach für den Tod meiner sämtlichen Leute verantwortlich. Also hab ich gesagt, sie sollen draußen warten und bei Tagesanbruch stürmen, wenn ich nicht vorher zurückkomme. Na ja, und wenn ich doch vorher zurückkomme, sollen sie eben trotzdem bei Tagesanbruch stürmen.“
„Gute Idee“, stimmte Lea zu, „dann können sie sich um das kümmern, was wir übriggelassen haben ... und gegebenenfalls um das, was die von uns übriggelassen haben.“
„Stimmt. Aber schreiten wir erst mal frohen Mutes voran. Mut gebiert
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