Das Ritual der Gleißenden Dämonen (German Edition)
etwas nicht, aber sie war zu benommen, um darauf zu achten.
Das Skurrilste jedoch befand sich in der Mitte des Raumes: An einem Schreibtisch, auf dem ein altertümliches schwarzes Telefon mit Wählscheibe stand, saß ein kleines, dürres Männlein, das einem Karikaturenbuch entsprungen zu sein schien. Mit seiner Nickelbrille, der Schirmmütze, der schwarzen Weste, dem altmodisch gestreiften Hemd und den abgewetzten Ärmelschonern sah es aus wie das Fleisch gewordene Klischee eines Buchhalters.
Jetzt fiel ihr auch auf, was mit den Aufschriften nicht stimmte. Es waren die Jahreszahlen. „Einkommensteuer 1955“, stand dort, direkt neben „Einkommensteuer 1954“ und „1953“. Auch die anderen Ordner waren mit Jahreszahlen zwischen 1950 und 1958 beschriftet.
Das Männlein stempelte gerade ein Dokument ab und sortierte es in einen weiteren Ordner ein, der vor ihm auf dem Schreibtisch lag.
Lea räusperte sich.
Der Buchhalter sah auf.
„Guten Tag“, grüßte er freundlich, wenn auch ein bisschen schüchtern.
„Was soll dieser Mummenschanz?“, fragte Bülent ungehalten, „wer bist du Zwerg? Wo sind wir hier?“
Nun war es an dem kleinen schmächtigen Mann, sich zu räuspern. „Mein Name ist Xaphan“, stellte er sich vor, „Dämon aus dem achten Kreis der Hölle. Wenn Sie die abendländische Metaphorik gestatten. Bitte nehmen Sie doch Platz, ich kümmere mich gleich um Sie.“ Er deutete auf zwei einfache Holzstühle, die auf der anderen Seite seines Schreibtischs standen.
„Wir stehen lieber“, murrte Bülent.
„Wie Sie wünschen. Ich muss Sie allerdings darauf hinweisen, dass Ihr Aufenthalt hier in meinem Büro möglicherweise von längerer Dauer sein wird. Die Unannehmlichkeit bitte ich zu entschuldigen.“
Bülent deutete auf die gegenüberliegende Tür. „Da geht's raus, oder?“
„Sie haben absolut recht. Ich fürchte allerdings, ich kann Ihnen da keinen Zugang gewähren. Sehen Sie, Frau Zimmer rief mich gestern an“, er deutete auf das klobige schwarze Telefon, „Gegenstand der Anrufung war die Gewährleistung absoluter Ungestörtheit für einen Zeitraum von fünfzehneinhalb Stunden zwecks Durchführung eines Rituals. Ich fürchte, Sie müssen sich noch“, er kramte aus seiner Weste eine Taschenuhr hervor, „zweiunddreißig Minuten gedulden.“
„Was wirst du tun, wenn wir trotzdem gehen?“, fragte Lea.
„Ich bitte zu verzeihen“, erwiderte Xaphan, „dass mir leider nicht die einfallsreichen Arbeitsmethoden etwa der Inquisition oder der US-amerikanischen Geheimdienste zur Verfügung stehen, um meine Anliegen mit dem notwendigen Nachdruck durchzusetzen ...“
„Was soll das alles?“, unterbrach Bülent wütend. „Du siehst doch, er ist ein Fake, Lea. Diese Witzfigur sagt selbst, dass er keine Möglichkeiten hat, uns aufzuhalten. Vergiss diesen Xaver und komm weiter!“
„Ich bedaure außerordentlich, dass meine Materialisation nicht Ihre Zustimmung findet“, sagte Xaphan bestürzt, „hätte ich das Büro lieber etwas moderner einrichten sollen? Oder finden Sie es zu futuristisch? In welchem Jahr befinden wir uns doch gleich?“
„Du hättest dich stumm und taub materialisieren sollen“, keifte Bülent, „aber spar die jetzt die Mühe, wir sind sowieso gleich weg.“ Mit großen Schritten ging er auf die Ausgangstür zu.
„Tja nun“, murmelte die Gestalt, die sich selbst als Dämon bezeichnet hatte, „wie gesagt, ich kann Ihnen keine faszinierenden Geräte bieten, um Sie zu beeindrucken. Mir steht nur ein einziges, simples Mittel zur Verfügung, um über die Befolgung meiner Anweisungen zu wachen ...“
Im selben Moment ging der Raum in Flammen auf.
Sie waren überall um Lea herum, loderten von dem alten Parkettboden hoch, raubten ihr Sicht und Atem. Wie eine Faust schlug ihr die Hitzewelle entgegen.
Dann erkannte sie durch die Flammen hindurch den Dämon. Die Gestalt des Buchhalters saß mitten im Feuer und verbrannte. Die Haare waren sofort weggesengt, die Gesichtshaut wurde schwarz und schrumpelig und warf Blasen. Während seine Augenlider Feuer fingen, sprach er seelenruhig weiter: „Als Feuerdämon, müssen Sie wissen, sind mir in der Wahl meiner Mittel die Hände gebunden ... ich hoffe, Sie akzeptieren dies als Ablehnung Ihres Antrags. Sie können dieser Ablehnung innerhalb von vierzehn Tagen schriftlich widersprechen ...“
Leas Gehirn arbeitete fieberhaft. Es musste einen Weg geben, hier rauszukommen!
„Wer ist dein Gebieter?“, schrie sie über
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