Das Ritual der Gleißenden Dämonen (German Edition)
Angelegenheiten. Aber es sind auch merkwürdige Leute. Einer hat ihn mit einem Wangenkuss begrüßt, nachdem er ihm schon die Hand geschüttelt hatte. Und ihn dann noch seine Stirn fühlen lassen, wie man es macht, wenn jemand Fieber hat. Exzentrisch, jemandem gleich so nahe zu kommen.“
„Ich hoffe, es hat den beiden Spaß gemacht“, entgegnete Lea verächtlich.
„Du bist so verbittert, Kind. Das kenne ich gar nicht von dir.“
„Dann wird es Zeit, dass du mich kennenlernst. Und vielleicht wird es auch Zeit, dass du ihn kennenlernst! Dann würdest du auch nicht denken, dass ich ihn noch in irgendeiner Weise interessiere.“
„Und ich!?“, rief Valeska. „Interessiere ich dich vielleicht in irgendeiner Weise? Ich war auch dort! Ich wollte dich auch auf der Bühne sehen! Hat dich das interessiert!? Nein, wenn Herr Papa nicht da ist, soll doch der Rest der Welt vor die Hunde gehen. Dann kann man die Bühne leer lassen und dreihundert Leute enttäuschen. Eine davon die eigene Mutter, aber ist ja egal, Herr Papa ist nicht da, dann kann man ja ruhig kneifen!“
„Ich, kneifen? Ich hab nicht gekniffen!“
„Was hast du denn dann? Feige gekniffen hast du, und mich hast du sitzengelassen! Ich wäre am liebsten im Boden versunken, als eine nach der anderen Durchsage kam, dass du dich dringend bei der Bühne melden sollst, und alle mich angestarrt haben, als müsste ich wissen, wo sich meine Tochter herumtreibt!“
„Ich treibe mich nicht herum! Ich habe mich noch nie herumgetrieben! Vielleicht sollte ich mal damit anfangen, damit ihr wisst, was ihr bisher für eine brave Tochter hattet! Ich haue ab! Ich fang an zu saufen! Ich stehle mir mein Geld zusammen! Vielleicht seid ihr dann endlich zufrieden!“
Das Gespräch hatte inzwischen die Lautstärke eines startenden Airbus erreicht. Valeska schluckte, schloss die Augen und zählte ruhig von zehn rückwärts bis eins, bevor sie leise weitersprach.
„Dir fehlt Geborgenheit, Lea. Ich weiß, wir haben nicht oft darüber gesprochen, denn es ist selbst zwischen Papa und mir ein Anlass zur Meinungsverschiedenheit, und ich habe dir nie vorgeworfen, dass du seine Ansichten einfach übernommen hast. Aber vielleicht solltest du dir jetzt, wo du so in der Luft hängst, noch einmal Gedanken über Gott machen.“
Lea schüttelte den Kopf. „Du täuschst dich, wenn du glaubst, dass ich da Papas Ansicht bin.“
„Möchtest du nicht morgen einfach mal mit in die Kirche kommen?“
„Wenn es Gott gäbe, würde er dann zulassen, dass mir all diese Dinge passieren? Würde er mir meinen Vater wegnehmen, so wie es jetzt seine Kunden tun? Würde er mir eine Mutter geben, die bei allen Problemen ihrer Tochter immer nur daran denkt, was die anderen Erwachsenen von ihr halten? Schau nicht so entsetzt, das hast du selbst gesagt. Du wolltest im Boden versinken, weil dich alle anstarrten. Das fandest du anscheinend das Allerschlimmste an diesem ganzen beschissenen Abend!“ Sie schlug mit der Faust auf die Tischplatte. Dann vergrub sie das Gesicht in ihren Händen. „Tut mir leid, Mama, das war gemein.“
Valeska nickte und fuhr ruhig fort: „Vielleicht verschwende ich einfach meine Zeit. Mag sein, du hast dich entschlossen, uns nicht mehr an deiner Welt teilhaben lassen zu wollen. Womöglich bist du jetzt schlichtweg in dem Alter dafür. Ich hatte nur gedacht, wir könnten trotzdem ein gutes Verhältnis zueinander haben. Aber anscheinend geht das nicht.“ Sie erhob sich und ging die Treppe hinauf, in Richtung ihres Schlafzimmers. „Wenn du dir das mit der Kirche noch einmal überlegst, sag mir Bescheid. Ich bin Christin, solange ich denken kann, und ich weiß nicht, wie ich es anders mit dem Leben hätte aufnehmen sollen. Aber das muss ja jeder selbst wissen. Gute Nacht.“
Lea blieb allein zurück.
Hans Leonardt war müde. Das war nicht weiter verwunderlich, immerhin hatte er fast die ganze Nacht hindurch erklärt, geplant, gefragt, verworfen und neu geplant, hatte Skizzen frei Hand erstellt und komplizierte technische Zeichnungen gezeigt, die er am Computer entworfen hatte, er hatte sich den Mund fusselig geredet über Identifier Keys, Sabotagesicherheit, Biometrische Systeme, Tastaturcodes, DIN ISO 9001, PIR-Melder und Datenbustechnik, bis es draußen schon allmählich heller wurde und seine freundlichen Gastgeber ihn von einem Moment auf den anderen vor die Tür setzten.
Nein, dass er jetzt müde war, konnte man ihm keineswegs verdenken; erstaunlich fand er eher,
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