Das Ritual der Gleißenden Dämonen (German Edition)
auf und tat einen Schritt auf sie zu.
„Fass mich nicht an!“ , schrie sie, stieß sich nach hinten ab, stolperte, fing sich gerade noch rechtzeitig, drehte sich um und rannte aus dem Zimmer. Er hörte ihre schnellen Schritte auf der Treppe, sehr wenige Schritte, sie musste mindestens drei Stufen auf einmal genommen haben, und dann den Knall der Haustür.
Dann stand Valeska vor ihm. „Was ist passiert, Hans?“
Blinzelnd sah er sie an. „Ich weiß es nicht“, sagte er, „ich weiß es nicht.“
13. Kapitel
Anna Metzner schenkte sich gerade einen Kaffee ein und genoss die sonntägliche Ruhe um sich herum – niemand, der zur Schule musste, kein Ehemann auf dem hektischen Weg zur Arbeit, alles schlief, einsam wachte sie – als plötzlich drei Mal hintereinander der schneidende Summton der Türklingel ertönte.
Sie wollte diesen hässlichen Summer schon längst ersetzt haben. Aber alle erschwinglichen Türklingeln, die sie im Geschäft gesehen hatte, gaben stattdessen eine schrille, piepsige Melodie von sich wie aus einer vom Teufel besessenen Bontempi-Orgel. „Am Brunnen vor dem Tore“ trifft Nokia 3310, so klangen sie alle, außer den ganz teuren, und Anna wollte nicht vom Regen in die Traufe kommen. Sie wollte ein schönes, ordentliches, normales Ding-Dong , nicht mehr und nicht weniger.
Sie sah hoch zu der Uhr, die in der Küche an der Wand hing und die Form einer Teekanne hatte. Halb acht. Etwa der Briefträger? Aber doch nicht am Sonntag!
Als sie die Tür öffnete, glaubte sie zunächst nicht, was sie sah. Was fiel diesen jungen Leuten bloß immer wieder ein? Hatte Anna es damals etwa nötig gehabt, um jeden Preis für Aufsehen zu sorgen? Nein, als sie in diesem Alter gewesen war, hatte man es noch für eine Tugend gehalten, sich in die Gesellschaft einzugliedern, ein verantwortungsvolles Mitglied zu sein. Jemand, der seine Pflicht tat und seinem Dorf, seiner Region, seinem Land zur Ehre gereichte. Die nachfolgende Generation war hingegen anscheinend nur noch damit beschäftigt, dass ihnen, den Älteren, möglichst oft der Atem stockte.
Anna seufzte nur. „Guten Morgen, Lea.“ Sie mochte Lucys Freundin eigentlich sehr gern, Lea schien nicht so zweifelhaften Umgang zu pflegen wie ihre eigene Tochter, Anna hielt sie für einen guten Einfluss – aber vielleicht sollte sie diese Ansicht jetzt noch einmal überdenken. „Darf ich fragen, was der ungewöhnliche Aufzug zu bedeuten hat?“
Lea sah an sich herab. Sie trug immer noch ihren Frottee-Bademantel. Sonst nichts.
Einen Augenblick überlegte sie, ob sie Lucys Mutter ihr Erlebnis erzählen sollte. Wem sie es überhaupt erzählen sollte. Wer ihr glauben würde. Dann hatte sie Anna Metzner unter der Rubrik „die wohl nicht“ eingeordnet und sich eine kleine Geschichte für sie ausgedacht.
„Lucy und ich hatten uns für ein Schlafanzug-Frühstück verabredet. Wir wollten es uns mal richtig gemütlich machen.“
„Das hat Lucy sicher vergessen. Sie schläft noch. Aber komm erst mal herein. Die Nachbarn werden ja sonstwas denken.“ Eilig schloss sie hinter Lea die Tür. „Möchtest du einen Kakao?“
Lea nickte und registrierte gleichzeitig, dass ihre Hand immer noch zitterte. Sie musste sich zusammenreißen. Oder am besten gar nicht so lange hier herumsitzen.
„Ich werde sie wecken gehen“, sagte sie und war verschwunden, bevor Anna irgendetwas einwenden konnte.
Auf dem Weg zu Lucys Schlafzimmer fielen Lea die Schwächen ihrer Geschichte auf. Zum Beispiel trug Lucy überhaupt keinen Schlafanzug. Auch keinen Bademantel. Sie schlief am liebsten nackt und zog sich morgens direkt in ihrem Schlafzimmer an, ein Morgenmantel wäre ihr viel zu uncool gewesen. Außerdem stand sie an Wochenenden nie vor elf auf, wie Lea sehr wohl wusste. Aber egal, für jetzt musste die kleine Lüge einfach reichen.
Sie schüttelte Lucy aus dem Schlaf, die sich brummend gegen das Aufwachen wehrte.
„Komm schon hoch. Ich muss mit dir reden. Jetzt gleich.“
Langsam öffnete Lucy ein Auge. Dann schloss sie es wieder. „Sag mir, dass du eine Halluzination bist.“
„Ich fürchte, ich muss dich enttäuschen.“
Das Auge öffnete sich wieder. „Oh Gott, du bist immer noch da. Verdammt, es wäre besser für dich, eine Halluzination zu sein! Wir sind gestern nach dem glorreichen Bunten Abend noch weggegangen, es war äußerst lustig, Bülent war total betrunken und hat sich zum Affen gemacht, und ich war auch betrunken und dachte nur die ganze Zeit:
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