Das Ritual der Gleißenden Dämonen (German Edition)
sollte sofort aufstehen und das Gespräch beenden!“
„Diesmal nicht, Hans. Lea ist in der Schule. Diesmal hast du keine Ausrede. Bleib hier und steh mir Rede und Antwort. Ich könnte es sogar verstehen, weißt du? Wir sind jetzt seit über zwanzig Jahren zusammen, sechzehn Jahre sind wir schon verheiratet. Das ist eine lange Zeit. Die Leidenschaft ist ein kurzlebiges Wesen. Und ich bin alt geworden in dieser Zeit, älter als du. Ich habe Falten bekommen. Meine Brüste sind nicht mehr so straff, wie sie damals waren. Ich weiß, wie sehr dir das immer gefallen hat. Könnte ich dir wirklich vorwerfen, dass du dich verliebst, wenn dir eine hübsche Frau Mitte zwanzig über den Weg läuft, die offenbar große Stücke auf dich hält?
Als wir zusammenkamen, haben mich alle Leute davor gewarnt, mich mit einem jüngeren Mann einzulassen. Der läuft dir weg, hieß es, wenn nicht jetzt, dann in ein paar Jahren. Frauen altern anders als Männer. Er läuft dir weg. Und ich habe gelacht und gesagt, wenn dieser Mann mir wegläuft, wird mir jeder Mann weglaufen, denn ich habe noch keinen getroffen, der so selbstbewusst zu mir steht und so sehr davon überzeugt ist, dass ich die Richtige für ihn bin ... ebenso sehr, wie ich das von ihm glaube.“
„Mann“, stieß Lea hervor, „vor mir hat sie noch nie so geredet! Wie soll man Erwachsene jemals verstehen, wenn sie das wirklich Wichtige immer vor einem verbergen?“
Jetzt sprach Leas Vater wieder. Sein Tonfall war verändert, sanfter. „Les, ich liebe dich noch wie am ersten Tag. Ich habe kein Verhältnis und ich möchte auch keines haben. Ja, wir haben in letzter Zeit nicht mehr miteinander geschlafen. Aber du sagst selbst, wir sind schon eine Ewigkeit zusammen. Da ist es doch ganz normal, dass das Verlangen mal ein wenig abebbt. Mach dir keine Sorgen. Elisa mag in vielerlei Hinsicht eine ungewöhnliche Frau sein, aber sie ist keine Konkurrenz für dich. Und das wird sie auch nie sein.“
„Wenn das so ist, Hans ...“
„Ja?“
Ein Klicken auf der Aufnahme zeigte an, dass der Rekorder an dieser Stelle pausiert hatte, weil die Umgebung ruhig geblieben war. Lea sah auf die Zeitanzeige. Fünf Minuten waren vergangen, ohne dass ihre Eltern ein Geräusch verursacht hatten.
„... dann möchte ich wissen, was hier vorgeht.“
„Nichts Besonderes, Les. Ich habe einen Auftrag, und ich muss viel arbeiten. Das sorgt für einigen Stress, und wenn ich den Menschen in meiner Umgebung unangenehm bin, dann tut es mir leid. Aber nach diesem Auftrag werden sich die Dinge ändern. Und wie sie sich ändern werden!“
Schritte waren zu hören. Dann stoppte der Abspielvorgang. Die Aufnahmen dieses Tages waren zu Ende.
„Sie ändern sich bereits, du Idiot, aber du merkst es nicht“, schrie Lea in den Lautsprecher hinein. Dann ließ sie sich auf Bülents Bett fallen und vergrub das Gesicht in den Händen. „Sonnenallergie! Der Teufel sei verflucht!“
„Schule geht gleich los“, sagte Bülent, „lass uns erst mal Schicht machen. Nach dem Mittagessen kommst du wieder hierher, wir hören uns den Rest an, und dann gehen wir mal die Dokumente durch, die du abfotografiert hast.“
„Den Schulbus kriegen wir jetzt eh nicht mehr.“
„Hast du mich schon jemals im Schulbus gesehen? Komm schon, meine Mutter fährt uns.“
„Was? Du bist ja wohl das verwöhnteste Muttersöhnchen, das ich je gesehen habe.“
„Und wer macht hier einen Riesenaufstand, nur weil Papi nicht mehr so viel Zeit für sein Baby hat? Von dir muss ich mir wohl keine Lektionen erteilen lassen!“
„Und ich muss mich von jemandem, dessen Mami ihm noch den Hintern abwischt, nicht als Baby bezeichnen lassen!“
„Du bist nur neidisch!“
„Wenn ich auf dich neidisch wäre, könnte ich mir jederzeit zwanzig Kilo anfressen!“
„Neulich hast du noch geleugnet, dass du mich fett findest!“
„Stimmt nicht! Ich habe nur richtiggestellt, dass ich es in dem Moment nicht gesagt hatte!“
„Du hast Klugscheißverbot!“
„Dann dreh mir nicht das Wort im Mund herum!“
„Weiber“, stöhnte Bülent, „worauf hab ich mich da nur eingelassen?“
„Nach dem Mittagessen wieder hier?“
„Worauf Sie Ihren Doktortitel wetten können, Watson.“
20. Kapitel
Während Lea sich in Biologie Vorträge über den Nacktmull anhörte, passierte ein dunkelblauer Mercedes Kombi die Stadtgrenze von Prag. In seinem Gepäckraum befand sich eine zwei Meter lange Aluminiumkiste. Der Fahrer, ein junger blonder Mann
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