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Das Ritual der Gleißenden Dämonen (German Edition)

Das Ritual der Gleißenden Dämonen (German Edition)

Titel: Das Ritual der Gleißenden Dämonen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Balzter
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nutzlosen Mann dort hinein und trank ihn bis zum letzten Tropfen aus. Dann stahl er der Leiche den Schlüssel, verriegelte die Tür von innen und schuf sich so einen sicheren Ort, um den Tag zu verbringen. Nach Sonnenuntergang setzte er die Reise zu Fuß fort. Das war zwar nur wenig langsamer als die Eisenbahn, und im Gegensatz zu einem Sterblichen ermüdete er auch nicht, aber dennoch war er aufgrund des ärgerlichen Zwischenfalls zwei Tage zu spät ans Ziel gelangt. Der rastlose Mongole hatte inzwischen seine Hütte verlassen, um zu den östlich des Altai gelegenen Weidegründen seiner Ahnen zurückzukehren, und es hatte lange gedauert, seine Jurte in den endlosen Weiten des Landes ausfindig zu machen.
    Danach war die Eisenbahn keine Alternative mehr gewesen. Palazuelo war zunächst zum klassischen Verkehrsmittel der Untoten zurückgekehrt, das auch am Tage genutzt werden konnte: ein Sarg und ein schnelles Pferdegespann, auf dem Kutschbock ein verlässlicher sterblicher Diener.
    Fünf Jahre später hatte er zum ersten Mal ein Automobil gesehen und war begeistert gewesen von den Möglichkeiten, die sich durch die neue Unabhängigkeit ergaben. Vom Ersten Weltkrieg bis in die fünfziger Jahre hinein brummte er in immer neuen Fords, Audis, Mercedes und – das am allerliebsten – Rolls Royces durch die Nacht.
    An dem Unfall, den er schließlich hatte, war er selbst vollkommen schuldlos gewesen. Das Ergebnis war dennoch, dass er mit einem Totalschaden mitten in den dünn besiedelten Wäldern Lapplands stand und keinerlei menschliche Siedlung in bis zum Morgen erreichbarer Nähe lag. Nach einem demütigenden Tag im Kofferraum des Kleinbusses, der ihn gerammt hatte (mochten seine Insassen in Frieden ruhen, sie hatten es sich selbst zuzuschreiben), schwor er den unsicheren Beförderungsmitteln ein für alle Mal ab. Sehr unter dem melancholischen Lachen Doña Elisas übrigens, die allen modernen Erfindungen außer Alarmanlagen grundsätzlich misstraute und sich niemals freiwillig in ein Auto oder einen Zug begab, wenn es sich vermeiden ließ.
    Nun waren Pferdegespanne mittlerweile selten geworden, und auch offen transportierte Särge hätten im Europa des zwanzigsten Jahrhunderts mehr Aufmerksamkeit erregt, als einem Vampir lieb sein konnte. Also hatte Palazuelo diese moderne Variante erdacht: eine mannsgroße Kiste aus Aluminium, luftdicht versiegelt und mit einer Reihe von Schlössern gesichert – von innen.
    Der Fahrer aber war immer noch ein verlässlicher sterblicher Diener. Manche Dinge änderten sich eben nie.
    Palazuelo stieg hinein und schloss den Deckel über sich. In acht Stunden würde er an seinem Ziel sein, also gerade wenn die Sonne unterging. Und wenn Leonardts Seele bereit war, dann würde die dunkle Nacht noch heute ein weiteres ihrer Kinder in die Arme schließen können.

19. Kapitel
     
    Zur selben Zeit saßen, keine drei Kilometer von diesem Ziel entfernt, zwei Teenager im Haus der angesehenen Zahnarztfamilie Sertkük und lauschten einer MP3-Klangdatei mit Gesprächsfetzen und Nebengeräuschen.
    „Das sind nur die Schritte meiner Mutter“, flüsterte Lea ungeduldig, „kannst du nicht ein bisschen vorspulen?“
    „Und was ist, wenn dein Vater später noch dazustößt?“, entgegnete Bülent. „Lehn dich zurück, wir haben noch über eine Stunde Zeit, bis die Schule anfängt.“
    „Es geht mir nicht um die Schule. Ich habe nur das Gefühl, dass uns die Zeit davonrennt.“
    „Dann lass deine Gefühle vor der Tür stehen und halte dich hier in meinem Zimmer an die Fakten. Wir sind schließlich Detektive.“
    „Sei still. Sie sagt etwas.“
    Valeskas Stimme ertönte aus Bülents HiFi-Anlage und wünschte Hans einen erholsamen Schlaf.
    „Mist, wieder nichts. Von wann, sagtest du, ist die Aufnahme?“
    „Vom Mittwoch, sechs Uhr morgens.“
    „Er hat wieder nachts gearbeitet und schläft am Tage. Da ist doch was faul, Bülent. Das macht er nur noch so. Und dann diese affige Sonnenbrille, die er jetzt immer trägt!“
    Bülent legte den Finger an die Lippen. Erneut war Valeska zu hören.
    „Guten Appetit, Hans.“ Sie klang traurig.
    „Danke, Schatz“, antwortete ihr Mann auf der Aufnahme.
    „Seit wann schmeckt dir denn so etwas?“
    „Schon immer eigentlich. Warum fragst du?“
    „Früher konntest du Blutwurst nicht ausstehen.“
    „Wirklich? Da hast du mich missverstanden, glaube ich.“
    „Nein, es ist wahr. Du fandest die Vorstellung, aus Blut Wurst herzustellen, so ekelhaft, dass

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