Das Ritual der Gleißenden Dämonen (German Edition)
hat nichts Besseres zu tun, als sich eine eigene Homepage anzulegen und dort seine Misse-Daten auszubreiten?“
Bülent setzte ein breites Grinsen auf. „Hab ich dir nie erzählt, dass ich im Prager Einwohnermeldeamt V.I.P.-Status genieße? Komm mit, wir schauen mal rein.“ Er tippte ein paar Suchbegriffe, warf einen Blick auf die Ergebnisseiten und war in weniger als einer Minute auf einer englischsprachigen Seite der Prager Stadtverwaltung gelandet.
„Jetzt müssen wir nur noch ins Erste-Klasse-Abteil. Aber ohne Fahrkarte.“
„Was meinst du damit? Selbst wenn du irgendein Passwort errätst und irgendwo landest, wo du nicht hin darfst – die werden ihre Daten ja nicht alle im Internet haben. Das bringt doch nichts.“
„Müssen sie auch gar nicht, Watson. Meiner detektivischen Kombinationsgabe reicht es völlig aus, wenn es irgendwo in der Prager Stadtverwaltung einen Computer gibt, der sowohl Internetzugriff hat als auch mit dem lokalen Netzwerk verbunden ist. Was so ziemlich bei allen der Fall sein dürfte. Wenn die Tschechen nicht gerade die neueste Firewall haben und außerdem“ – er kreuzte Zeige- und Mittelfinger beider Hände, um sich Glück zu wünschen – „das letzte Windows-Sicherheits-Update verpennt haben, dann stehen wir schon mit einem Fuß in ihrem Datenbank-Server.“
„Verdammt, woher weißt du das alles? Nein, lass mich raten: Deine Eltern haben Kohle ohne Ende für einen Computerkurs springen lassen, und du bist damit stracks zu einem sechswöchigen Hackerkurs bei den Typen von Anonymous spaziert?“
„Viel besser. Es war Kevin Mitnick. Und nur drei Wochen, nicht sechs. Aber ansonsten hast du recht.“
„Kevin Mitnick? Doch nicht etwa Condor ?“
„You bet. Der Mann war Gott für uns. Stell dir vor, was er drauf haben muss, wenn sie ihn fünf Jahre verknasten und dann noch weitere drei nicht mal in die Nähe eines PCs lassen. Er soll über hundert Mal das Pentagon gehackt haben.“
Lea holte aus zu einer neuerlichen Schimpfkanonade. Aber sie blieb ihr im Halse stecken. Seine Familie schwamm im Geld. Okay. Und sie gaben den größten Teil davon für ihre Söhne aus, besonders für den jüngsten, das Nesthäkchen – Bülent. Okay. Leas Eltern hatten nicht so viel Geld, und von dem, was sie hatten, schien der geringste Teil in Leas Interessengebiete investiert zu werden – besonders wenig im Computerbereich. Oh ja, das war ein Grund zum Schimpfen, natürlich, es war zum Verrücktwerden. Aber es war nun einmal so. Willkommen in der Welt, Lea. Sie ist hart, aber ungerecht. Sieh zu, dass du das Beste draus machst.
Und genau das hatte sie vor!
„Gut.“ Sie nahm einen tiefen Atemzug. „Dann auf zum Prager Einwohnermeldeamt.“
Das Licht der Sonne ging bereits vom strahlenden Weiß in einen satten Gelbton über, als der dunkelblaue Mercedes zum ersten Mal einen Wegweiser passierte, auf dem Eschersbach erwähnt war. Jetzt würde es nicht mehr lange dauern, freute sich der junge Fahrer. Er war müde und brauchte all seine Konzentration für den dichten Frankfurter Feierabendverkehr. Aber die Häuser dünnten bereits aus, und bald schon hatte er Frankfurt verlassen und befand sich im Stadtgebiet von Bad Vilbel.
Es waren noch fünfzehn Kilometer bis Eschersbach, als dort Bülent Sertkük einen leisen Freudenschrei ausstieß.
„Ladies and Gentlemen“, rief er Lea zu, „we proudly present: den Datensatz der Doña Elisa de la Estancia. Powered by Einwohnermeldeamt Prag.“
Zu Bülents Überraschung war keine Freude in Leas Stimme, nur Resignation. „Es ist schön, dass du es geschafft hast“, sagte sie leise, „aber wenn ich das richtig verstehe, heißt es, dass sie ordnungsgemäß gemeldet ist und alles. Keinerlei Hinweise auf irgendwelche Seltsamkeiten. Richtig?“
„Richtig. Sie ist ganz offiziell und unter diesem Namen eine Einwohnerin der Stadt Prag. Mit Erstwohnsitz. Und nicht erst seit gestern: Unter Zuzugsdatum steht hier der 1.1.1970. Keine Spur von verbotenen Aktivitäten oder finsteren Verschwörungen gegen Eschersbacher Programmierer. Einfach eine Spanierin in Prag. Ist das nicht eine gute Nachricht?“
„Bülent, mir läuft gerade ein ganz, ganz kalter Schauer den Rücken herunter. Etwas stimmt nicht. Etwas mit dem, was du gerade gesagt hast.“
„Du meinst, weil es ungewöhnlich ist, dass Spanier ausgerechnet nach Tschechien auswandern? Na schön, ist nicht gerade die Regel, aber in einer Stadt wie Prag findet man sicher aus fast jedem Land
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