Das Ritual der Gleißenden Dämonen (German Edition)
nicht dem Tod.“
„Deines Herren Wege sind unerforschlich, meine Tochter. Wenn du dich dem Sakrament öffnest, das er dir anbietet, wird er dich vor den Schmerzen verschonen. Er wird dir gnädig den Tod gewähren. Aber ich zwinge dir nichts auf. Die Entscheidung liegt bei dir.“
„Ihr sprecht nicht wie die Pfaffen, die ich bisher kannte.“
Undeutlich erkannte sie im Schatten der Kapuze ein Grinsen. „Das sollte dir die Entscheidung doch nur erleichtern, meine Tochter.“
„Was ist das für ein Sakrament, von dem Ihr sprecht? Es ist nicht das Öl, habe ich recht?“
„Es ist das heilige Sakrament der Rache, Elsa. Ich habe vom Verlauf deines Prozesses gehört; es gibt in dieser wahnsinnigen neuen Zeit so viele, die ihm gleichen. Wir müssen die Menschen wieder auf den rechten Weg zurückbringen. Wir müssen für jedes unschuldige Blut, das vergossen werden soll, dutzendfaches Blut der Schuldigen vergießen. Nur so kann diese Hexenjagd eines Tages beendet werden.“
„Ihr seid kein Mönch.“
„Ich bin ein Prediger meines Glaubens, und diesem Glauben widme ich mein Leben. Macht mich das nicht zu einem besseren Mönch als all die reichen Prasser, die in ihren verhurten Klöstern hocken und sich um ihre eigenen Gebote nicht scheren?“
„Ich habe nichts zu verlieren. Gebt mir Euer Sakrament.“
„Denk daran, dass du mit dem Empfang dieses Sakraments den heiligen Eid der Rache schwörst, nimmer zu ruhen, bis nicht der letzte deiner Peiniger ein qualvolles Ende gefunden hat.“
„Wie soll ich das tun, wenn ich morgen hingerichtet werde?“
„Du wirst nicht hingerichtet werden“, prophezeite der selbst ernannte Prediger, „ich werde dir jetzt und hier in meinen Armen den Tod gewähren. Und die Ewigkeit wird dein sein. Du musst dich verborgen halten, bis das Sakrament vollzogen ist, sieben Tage lang. Danach wirst du Gelegenheit haben, deine Rache zu finden. Willst du das?“
Elsa dachte nach. Ihr schien, als passierte jetzt das, was man ihr schon die ganze Zeit unterstellte; als würde sie nun vom Teufel versucht, wo ohnehin alle davon überzeugt waren, dass sie dieser Versuchung längst nachgegeben hatte. Was sollte sie tun? Gab sie nach, dann hatte sie das Urteil im Nachhinein bestätigt. Dann hätte sie der Welt die Genugtuung gegeben, recht behalten zu haben. Dann wäre sie die Buhle des Teufels geworden.
Widerstand sie, dann würde die Welt trotzdem in dem Glauben weiterleben, sie sei eine Hexe gewesen. Und morgen früh würde sie brennen.
„Gebt mir Euer Sakrament“, wiederholte sie.
Mit einem leisen, sakralen Singsang umschloss der Mann im Mönchsgewand ihre Hände mit den seinen. Ohne sie loszulassen, küsste er sie sanft auf den Mund, dabei immer noch eine Melodie summend, die mit jedem Ton eine Geborgenheit verströmte, wie Elsa sie zuletzt in den Armen ihrer Mutter verspürt hatte. Schließlich fasste er sie am Hinterkopf und führte sie näher und näher an sein Gesicht, und als ihre Stirnen sich berührten, glaubte sie sich zu verlieren in diesen tiefblauen Augen, aus denen das Himmelsgewölbe selbst zu glitzern schien, die unendlichen Sterne, die Ewigkeit, die er ihr versprochen hatte.
Der Biss ließ sie zusammenzucken, und sie fühlte sich für einen Moment in ihre Hochzeitsnacht zurückversetzt, nur war das hier ein Tausendfaches jener Nacht, jedes Fleckchen ihrer Haut schien wundervoll zu explodieren, und sie stöhnte laut auf, als sie spürte, wie er an ihr sog.
Ein Lächeln spielte um Elsas Lippen, als sie sich in ihrem Prager Salon an diesen Moment erinnerte. Das heilige Sakrament der Rache. Und sie hatte ihre Rache bekommen, nicht wahr? Ihr Befreier hatte sie mitgenommen, so schnell, dass keiner der Büttel es verhindern konnte. In der Hütte, in der sie am nächsten Tag verbrannt werden sollte, befand sich nur noch der Falschmünzer. Aus Angst, das Vertrauen in die Darmstädter Obrigkeit könnte leiden, und wegen der generellen Peinlichkeit hatte man beschlossen, ihre Flucht geheim zu halten, und die Zeugen der Hinrichtung bestochen.
Der Mönch hatte ihr erklärt, wenn ein Mensch etwas glauben wollte , dann sei es für ihre Art ein Leichtes, dafür zu sorgen, dass er es tatsächlich glaubte. Und so hielt man sie wenig später wirklich für tot, und es hatte nie eine Peinlichkeit der Darmstädter Justiz gegeben.
Erst viele Jahre danach, als sie selbst schon eine geliebte und gefürchtete Fürstin der Nacht geworden war, hatte sie die größeren Zusammenhänge
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