Das Ritual der Gleißenden Dämonen (German Edition)
schuldig sprachen?'“
Bülent schluckte, bevor er weiterlas: „'Johan von Wallenstein findet sein blutiges Ende in der darauf folgenden Neujahrsnacht. Und obwohl sich danach die Ereignisse zunächst beruhigen, muss der Historiker feststellen, dass fünf Jahre später nur noch ein einziger Mensch am Leben ist, der etwas mit diesem Prozess zu tun hatte. Aber auch das ändert sich bald danach: 1596 stirbt der hexenbesessene Landgraf Georg I. im Alter von nur 49 Jahren. Über seine Todesursache schweigen sich die sonst so detaillierten Adelsbücher aus ...'“
Lea und Bülent saßen schweigend und schauten einander an. Plötzlich sprang Lea auf und griff zu dem drahtlosen Telefon, das Bülent in seinem Zimmer hatte.
„Hallo Ma“, sagte sie nach einigen Sekunden, „gibst du mir bitte ganz schnell Papa? Es ist sehr wichtig!“
Sie wartete einen Augenblick. Plötzlich erschrak sie. „Wie bitte? Aber warum denn? Wann und wo?“ Ohne sich zu verabschieden, warf sie das Telefon von sich und griff nach ihrer Jacke. „Er ist unterwegs, um sich mit den beiden zu treffen. Jetzt in diesem Moment! In einem Hotel beim Bahnhof! Wir dürfen keine Zeit verlieren!“
„Was hast du vor?“, fragte Bülent.
Lea funkelte ihn böse an. „Meinen Vater retten, was sonst?“
„Du glaubst wirklich, dass diese Elsa Zimmer aus dem 16. Jahrhundert unsere Elisa de la Estancia ist?“
„Gibt es irgendeine andere logische Erklärung?“
„Aber sie ist verbrannt worden. Ein Scheiterhaufen müsste doch selbst einen Vampir kleinkriegen, oder?“
„Soll ich dir ein Geheimnis verraten, Bülent? Bevor du mich mit weiteren spöttischen Kommentaren beglückst? Hier ist es: Ich glaube nicht an Vampire. Habe nie an sie geglaubt. Ich habe mir vorgestellt, wie es sein könnte, wenn es sie gäbe, das ist alles. Und diese Vorstellung gefiel mir so gut, dass ich darin oft lieber lebte als in der Realität. Aber ich habe deswegen nicht vergessen, dass es nur Vorstellung war.“
Sie holte Atem und fuhr etwas ruhiger fort: „Mittlerweile weiß ich nicht mehr, was Realität ist. Ich weiß nicht, ob es darin Hexen oder Vampire gibt. Aber eines weiß ich. Da draußen ist etwas , das schuld an dem ist, was mit meinem Vater passiert. Und dieses Etwas ist kein Mensch! “
Bülent stand jetzt ebenfalls auf und stemmte die Hände in die Hüften. „Lea, wenn du jetzt durch diese Tür gehst und zu deinem Vater rennst ...“
Sie verschränkte ihre Arme und baute sich trotzig vor ihm auf. „Dann?“
„... dann bist du der Depp auf dem Dachboden!“
Verwirrt ließ sie die Arme wieder sinken. Sie hatte mit so ziemlich jeder Bemerkung, Beleidigung oder Drohung gerechnet, aber nicht mit so etwas. „Ich bin was?“, fragte sie.
„Überleg doch mal. Gesetzt den Fall, es gibt da wirklich ein Etwas, von dem wir nicht gedacht hätten, dass solche Etwasse tatsächlich existieren. Unser Etwas ist über 400 Jahre alt und hat nach den ersten sechs Jahren mindestens 31-fachen Mord auf dem Kerbholz. Hochgerechnet auf die nächsten Jahrhunderte ergibt das ... na, jedenfalls ziemlich viele Leichen. Und da sie immer noch frei herumläuft – wenn sie es wirklich ist – scheint bis heute niemand fähig gewesen zu sein, sich ihr in den Weg zu stellen. Und was machst du? Du rennst allein und unvorbereitet in die Höhle des Löwen.“
„Was hat das mit einem Dachboden zu tun?“
„In fast jedem Horrorfilm gibt es die Stelle, wo ein unschuldiger Teenager – so wie wir – seltsame Geräusche auf dem Dachboden hört. Und in fast jedem Horrorfilm sucht er nicht etwa schleunigst das Weite oder holt sich zumindest Hilfe herbei, sondern er hat jedes Mal nichts Besseres zu tun, als allein und unvorbereitet auf den Dachboden zu klettern und nachzusehen, was diese Geräusche verursacht. Das ist eine eherne Regel. Und genauso regelmäßig wird er dann dort oben von dem Monster verhackstückt. Das ist der 'Depp auf dem Dachboden'.“
„Und was soll ich deiner Meinung nach unternehmen?“, rief Lea wütend.
„ Wir “, begann Bülent betont, „sollten meiner Meinung nach das tun, was ich in den Horrorfilmen auch immer dem Depp auf dem Dachboden zurufen möchte: Wir gehen schlicht und einfach zur Polizei. Und dann sollen die sich mit dem 400 Jahre alten Monster herumärgern. Wir beide haben nämlich absolut Null komma Null Chance gegen ein solches Biest, was immer es genau sein mag. Und wenn wir uns irren und Elisa nur eine verrückte Spanierin ist, die eine
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