Das Ritual der Gleißenden Dämonen (German Edition)

bestätigte er nicht.' Netter Kerl, wirklich.
    'Erst als es Philipp nicht mehr gab und seine Söhne das Land unter sich aufteilten, begann die Ära der Angst und des Misstrauens. Für Hessen-Darmstadt erstellte Landgraf Georg I. eine Gerichtsordnung, wonach 1564 die ersten Prozesse anliefen, gefolgt von vielen weiteren, deren Hergang wir hier anhand eines Beispiels beschreiben wollen.
    Über 400 Jahre sind seit der Hexenverbrennung von Elsa Zimmer vergangen' ... oops! Jetzt wird's doch endlich interessant! ... 'ohne dass Raunheims Hexengeschichte aufgearbeitet wurde.' Na, das holen wir ja heute nach.
    '1582 ist Elsa Zimmers Welt noch in Ordnung. Sie hat jung geheiratet, einen Bauernsohn namens Max aus dem Nachbardorf, und mit ihm zwei Söhne bekommen, Simon und Valentin. Im Kirchenbuch von Raunheim sind ihre Namen als Gottesdienstbesucher verzeichnet.
    Acht Jahre später, am 17. Juni 1590, kommt die heile Welt zu einem jähen Ende. Als Elsa zusammen mit drei anderen Frauen, deren Namen nicht überliefert sind, der Zauberei beschuldigt wird, ahnt sie noch nicht, dass sie keinen Monat mehr zu leben hat. Vier Schützen und ein Fuhrmann bringen sie mit einem Wagen und ein paar Pferden nach Darmstadt.
    Am nächsten Tag wird Elsa vom Scharfrichter aus Groß-Gerau verhört. Danach wird sie vermutlich in der Rüsselsheimer Festung inhaftiert. Eine Woche später, am 24. und 25. Juni 1590, wird Elsa wieder in Darmstadt verhört. Anderntags wird ihr Geständnis durch Folter erzwungen. Bis zum Prozess landet Elsa wieder im Kerker. Noch ehe das Verfahren gegen sie eröffnet wird, errichten der Scharfrichter und vier Gehilfen am Freitag, dem 4., und Samstag, dem 5. Juli 1590 einen Scheiterhaufen mit einer Hütte darauf und füllen sie mit Stroh. Förster aus Darmstadt und Bessungen bringen Holz und Reisigbündel.'
    Jetzt fängt ja doch noch die Action an. Ich dachte, die Hexenverbrennungen wären im Mittelalter gewesen? Das ist doch schon Neuzeit, oder?“
    „Da sind die Henker erst richtig warmgelaufen“, entgegnete Lea bitter, „der Papagei hat das in Französisch kurz erwähnt, als es um Jeanne d'Arc ging. Im Mittelalter selbst lief da noch gar nicht so furchtbar viel. Lies schon, wenn du die Action mitkriegen willst.“
    „'6. Juli 1590, Prozesstag vor dem Zent-Gericht in Groß-Gerau: die fünf Angeklagten – Elsa, die drei unbekannten Frauen und Martin Lauck, ein Falschmünzer aus dem Elsaß, in Ober-Ramstadt verhaftet – werden von einem Schmied in Ketten gelegt. Zu Gericht sitzen: der landgräfliche Rat Dr. Johan von Wallenstein, Superintendent Johann Angelus, Andreas Gerthe, Pfarrer von Groß-Gerau, ein Vorratsverwalter, ein Schultheiß, drei Zentgrafen, 14 Zentschöffen, der Fiscal, ein Prokurator, ein Gerichtsschreiber und jeweils ein Büttel von Darmstadt und Bessungen.' Boah, die nehmen's genau.
    'Nach stundenlanger Verhandlung werden die Urteile gesprochen: Freispruch für die drei unbekannten Frauen. Elsa und der Falschmünzer sollen brennen. Am folgenden Tag werden die beiden Todeskandidaten in die Hütte auf dem Scheiterhaufen gesperrt und vor Zeugen verbrannt. Während die Flammen lodern, werden die Zeugen mit Wein verköstigt.' Die haben sich's da richtig gemütlich gemacht. Fehlt nur noch Popcorn.“
    „Hätten sie sicher auch ausgeteilt, wenn es das schon gegeben hätte.“
    „'An dieser Stelle könnte die Geschichte Elsa Zimmers zu Ende sein. Aber das Leben hält manchmal überraschende Wendungen bereit, die wir sonst höchstens aus billigen Schauerromanen und zweitklassigen Horrorfilmen kennen.' Na also, ihr sprecht ja doch meine Sprache.
    'Schon wenige Wochen nach Elsas Tod büßt der Fiscal, eine Art Chefankläger, mit seinem eigenen rätselhaften Ableben für seinen Hexenwahn. Man findet ihn mit ausgestochenen Augen, also blind wie Justitia eigentlich sein sollte. Durch zwei Wunden in der Halsschlagader ist er offenbar verblutet, unfähig, sich ohne Augenlicht zu orientieren und Hilfe herbeizuholen.'“
    Bülent drehte sich noch einmal zu Lea um. „Ich sag das nicht gerne, aber ganz allmählich wird mir ein klitzekleines bisschen mulmig.“
    „Warte ab, bis du zu Ende gelesen hast.“
    „'Im Herbst 1590 verzeichnet die Stadtchronik von Darmstadt nicht weniger als 17 ungeklärte Todesfälle, für die damalige Zeit eine ungeheure Anzahl. Ist es Ironie des Schicksals, dass es sich dabei um die drei Zentgrafen und 14 Zentschöffen in Elsas Prozess handelt, die sie in ihrer richterlichen Funktion