Das Ritual der Gleißenden Dämonen (German Edition)
wünsch dir viel Spaß bei deiner Party.“
Sie drehte sich um und wollte gehen. Lucy hielt sie an einem Arm zurück.
„Weißt du was, Lea? Ich glaube langsam, die anderen haben recht. Du lebst irgendwie in einer anderen Welt als normale Leute.“
Lea zuckte traurig die Schultern. „Vielleicht ist es so. Ich habe es mir nicht ausgesucht.“
Eine Minute später stand sie draußen auf der laternenbeleuchteten Straße und atmete die frische, kalte Luft, die nicht von Zigarettenrauch und Schweiß durchwoben war wie drinnen, sondern nach Herbstlaub und Regen roch. Was sollte sie jetzt tun? Wen außer Lucy hatte sie, an den sie sich wenden konnte? Der Einzige, der über alles Bescheid wusste, war Bülent. Aber zu Bülent wollte sie nicht gehen; er war es gewesen, der sie daran gehindert hatte, rechtzeitig zu ihrem Vater zu gelangen. Er und seine bescheuerte Horrorfilmgeschichte und seine dumme, fruchtlose Idee mit der Polizei. Ohne ihn und seine Ideen wäre sie früher dort gewesen, im Hotel, noch bevor ...
Sie verbannte den Gedanken aus ihrem Gehirn. Sie musste sich um die Gegenwart kümmern, nicht um die Vergangenheit. Irgendwie die nächsten fünf Minuten überstehen, ohne vor Kummer und Zorn verrückt zu werden. Und dann die fünf Minuten darauf. Und die nächsten. Und so weiter. Damit wäre sie für den Anfang vollkommen ausgelastet.
Ihr Vater war tot. Er existierte nicht mehr. Er hatte sie zu einer Zeit verlassen, die nicht ungünstiger hätte sein können. Sie hatten sich nicht gut verstanden. Er hätte nicht gehen dürfen, er hätte ihr die Chance lassen müssen, sich mit ihm zu versöhnen! Es war unfair, verdammt!
Statt ihres Vaters schlief dort nun ein Blut saugender Parasit, der sie jederzeit töten konnte, wenn er wollte. Vielleicht sogar, wenn er es nicht wollte, aus Versehen, aus Wut, aus Zufall. Wozu waren Vampire fähig? Sie wusste es nicht, obwohl sie so viel über sie gelesen hatte. Aber dies war das wirkliche Leben, nicht wahr? Jeder Autor von Vampirgeschichten erschuf seine eigene Phantasiewelt. Woher sollte sie wissen, was richtige Vampire tun konnten und was nicht?
Wieder überkam sie der Gedanke, dass sie sich mitschuldig machte, wenn das, was aus ihrem Vater geworden war, einen Menschen tötete. Aber hatte ihre Mutter nicht auch recht? Machte sie sich nicht ebenfalls schuldig, wenn sie dieses Wesen vernichtete, das bisher niemandem etwas zuleide getan hatte?
Was sollte sie nur tun?
Tief in der Nacht fand sie sich plötzlich vor ihrem eigenen Zuhause wieder. Ohne dass sie es bewusst gewollt hätte, hatten ihre Schritte sie hierher zurückgeführt. Sie holte den Schlüssel aus seinem Versteck und trat leise ein. Hoffentlich war er fort! Weit fort!
Valeska war noch wach, obwohl die Küchenuhr bereits halb drei zeigte. „Hallo“, sagte sie, als Lea die Haustür hinter sich schloss, „du warst lange weg.“
„Das ist wohl nicht die Zeit, mir Vorwürfe über mein Ausgehverhalten zu machen.“
„Ich kann es in gewisser Weise verstehen. Aber ich glaube immer noch, dass du dich in ihm irrst.“
„Hast du wieder mit ihm gesprochen?“
„Ja. Er sagte, er wolle auch gerne mit dir reden. Aber er wolle dir nichts aufzwingen, du müsstest zu ihm kommen, wenn du bereit bist.“
„Hast du ihm erzählt, was ich ... beabsichtigte?“
„Ich habe ihm von unserer Auseinandersetzung erzählt. Nicht jedes Detail, aber die Grundsätze. Er sagte, er könne es dir nicht mal verübeln, dass du ihn fürchtest.“
„Was hat er noch gesagt?“
„Wir haben nicht so lange geredet.“
„Warum nicht?“
„Lea, frag das bitte nicht.“
Aber Lea beharrte: „Warum habt ihr nicht weitergeredet? Habt ihr euch gestritten? Hat er ... sich verändert?“
Valeska blickte in die andere Richtung, und Lea sah, dass sie ihre Tränen verstecken wollte. „Nein“, sagte sie schließlich, „wir haben uns nicht gestritten. Er sagte nur, er habe ...“
Sie konnte es nicht mehr zurückhalten. Valeska schluchzte, schlug in ihrer Verzweiflung mit der Stirn gegen die Tischplatte, bis Lea sie festhielt. „Komm zu dir, Mama. Sag mir, was passiert ist.“
„Er sagte, er habe ... Durst, und er ... er wolle jetzt besser nicht mehr in meiner Nähe sein ...“
„Du bist dir nicht mehr sicher, was du von ihm halten sollst, richtig?“
Sie nickte. „Ich weiß nicht, was ich ihm zutrauen soll, Lea. Ich kenne ihn nicht. Es ist, als hätte ich ihn gestern das erste Mal getroffen, und gleichzeitig ist er
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