Das Ritual der Gleißenden Dämonen (German Edition)
wird nie wieder mein Papa sein, nach dem ich mich gesehnt habe. Ich habe immer geglaubt, es sei nun einmal eine schwierige Zeit, und dann würde es wieder besser werden, und er würde mich wieder in den Arm nehmen wie früher und mir Geschichten erzählen und mich fragen, wie mein Tag war und ob ich mich zu ihm in den Garten setzen möchte. Aber das wird nie wieder so sein. Ich werde mich nicht in der Nacht zu diesem ... Monster setzen. Ich habe Angst vor ihm, Mama. Angst, dass er einer von uns etwas zuleide tut. Oder jemand anderem. Deshalb wollte ich den Koffer draußen öffnen. Du hast das verhindert. Ich kann nur hoffen, dass du das nicht eines Tages bereust.“
Mit diesen Worten ging sie schweren Schrittes die Treppe hinauf, betrat ihr Zimmer, schloss die Tür, warf sich aufs Bett und starrte lange regungslos an die Decke des Raumes.
29. Kapitel
Als die Sonne sich allmählich rot verfärbte, drängte es Lea, das Haus zu verlassen. Sie wusste, dass es keine Dauerlösung war, aber es war ihr unmöglich, nach Sonnenuntergang hier zu sein. Sie warf sich ihre Jacke über und lief, weil ihr nichts Besseres einfiel, in Richtung Snare Drum .
Wie sie erwartet hatte, fand sie dort Lucy, die mit ein paar Jungs aus ihrer Klasse auf Barhockern an der Theke saß. Die Frankfurter Kapuzengang war diesmal nicht dabei, Lea war nicht böse darum.
„Hallo Lea“, grüßte Lucy überschwänglich, die offenbar schon ein Bier oder drei getrunken hatte, „komm in meine Arme, Süße!“
„Hallo Lucy“, gab Lea nüchtern zurück.
„Heute ist ein ganz besonderer Tag, Lea.“
„Darauf kannst du wetten“, murmelte sie mehr zu sich selbst.
„In genau einer Woche, macht sieben Tage, macht 168 Stunden, macht ... äh ... viele Minuten, hab ich nämlich Geburtstag. Und diesmal wird dich das ganz besonders freuen!“
„Wird es?“
„Konkret! Ich hab mir nämlich was ganz verschärft Fettes für dich ausgedacht, weil wir so krass geile Freundinnen sind!“
„Du machst es ja spannend.“
„Genau. Willst du's wissen? Ich könnt mich überreden lassen, dir mein Geheimnis zu verraten. Du wirst es lieben! Gib mir einen Kuss, und ich sag's dir.“
Lächelnd beugte sich Lea zu ihrer angesäuselten Freundin und gab ihr einen Kuss auf die Wange. „Und? Was ist dein großes Geheimnis?“
Lucy strahlte. „Du weißt doch, ich hab direkt an Halloween Geburtstag. Und weil du doch so drauf stehst, dachte ich, ich mach eine Vampirfete! Alle müssen sich ein gruseliges Outfit zurechtmachen, und zu trinken gibt's nur rote Sachen: Rotwein, Traubensaft, Berliner Weiße mit rotem Schuss und ... he, was hast du denn? Ist dir schlecht? Du hast plötzlich einen Teint, als wärst du selber zum Vampir geworden.“
Lea sank auf einen Barhocker und rieb sich die Stirn. „Schlechte Idee“, murmelte sie, „ganz furchtbar schlechte Idee.“
Lucy starrte sie aus glasigen, kajalumrandeten Augen an. „Was? Bist du jetzt völlig übergeschnappt? Du redest doch hier die ganze Zeit von Vampiren! Wegen dir hab ich mir die ganze Chose doch überhaupt ausgedacht! Wenn's nur um mich gegangen wäre, hätte ich 'ne Tierschutzfete draus gemacht ...“
„Dann mach eine Tierschutzfete. Ist vielleicht besser.“
„Dazu ist es zu spät. Ich habe heute Abend schon etliche Einladungen verteilt. Für dich hatte ich auch eine dabei. Aber die kann ich mir jetzt wohl sparen, wenn meine Idee so furchtbar schlecht war.“
„Es ist ... ich meine ja nicht ... Lucy, lass dir das erklären. Es ist etwas passiert. Etwas sehr Schlimmes.“
„Und was ist das?“
Lea sah ihr ins Gesicht. Lucy wirkte angriffslustig, aufgeputscht durch den Alkohol und ihre Freunde um sich herum. Wie sollte Lea ihr jetzt von ihrem Vater erzählen? Und wo? Sicher nicht in diesem Kreis. Aber hätte es überhaupt einen Sinn? Sie hatte schon einmal versucht, Lucy einzuweihen. Lucy hatte es damals geschafft, sie davon zu überzeugen, dass alles nur ihre Einbildung sei. Wenn sie sie stattdessen darin bestärkt hätte, etwas dagegen zu tun – vielleicht wäre all das gar nicht passiert?
Überhaupt hatte Lucy in letzter Zeit nur noch ihren extremen Tierschutz im Kopf. Wann hatte Lea zum letzten Mal ein richtig persönliches Gespräch mit ihr geführt? Wie konnte sie unter diesen Voraussetzungen hoffen, verstanden zu werden? Noch dazu, wo das, was geschehen war, so unglaublich klang, dass sie es selbst noch nicht ganz fassen konnte?
„Es ist nichts“, sagte sie nur. „Ich
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