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Das Ritual der Gleißenden Dämonen (German Edition)

Das Ritual der Gleißenden Dämonen (German Edition)

Titel: Das Ritual der Gleißenden Dämonen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Balzter
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Uglik, legte ihm von hinten den Arm um den Hals und hielt ihn im Schwitzkasten.
     
    Lea richtete sich auf und sah sich auf dem Schlachtfeld um.
    Und dann – dann lächelte sie.
    „Danke“, flüsterte sie und sah beschämt zu Boden. Dort stand ihr Vater. Ja, ihr Vater. Er hatte sie gerettet wie ein Ritter in glänzender Rüstung, wie ein Drachentöter die entführte Jungfrau. Alles erschien in einem neuen Licht. Und er hatte niemanden von ihren Widersachern getötet, obwohl es ihm ein Leichtes gewesen wäre. Im Gegenteil, fast schien es, als habe er sich bemüht, sie so zu bezwingen, dass sie möglichst wenig verletzt wurden.
    Aber die absolute Priorität war für ihn gewesen, sie, seine Tochter, aus diesem Schlamassel herauszuholen.
    Er war ihr Vater, ihr Held.
     
    Hans strahlte, als er die glänzenden Augen seiner Tochter sah. Diese Episode, soviel war sicher, würde für ihn zur Eintrittskarte zurück in die Menschenwelt werden. Hatte er sich nicht schon immer als Retter in der Not geträumt? Und jetzt war es soweit, und Lea, die ihn zehn endlose Wochen lang gemieden hatte, seine Lea sah voller Bewunderung zu ihm hin und lächelte, und in ihrem Blick war die Liebe einer Tochter zu ihrem Vater. Er, Johannes Leonardt, hatte den Tag gerettet, er allein, und ...
    ... und er hatte sehr viel Blut verloren ...
    Der Einschuss war verblüffend schnell wieder verheilt und schien ihm auch keinerlei bleibenden Schaden zugefügt zu haben; aber die Wunde hatte doch dafür gesorgt, dass der Großteil jenes mühsam ergatterten Rattenblutes, das ohnehin seinen Hunger nie lange bezähmen konnte, verspritzt, versickert und verdorben war. Er fühlte sich so ... leer. Und er fühlte den Hunger kommen.
    Ihm war, als habe er tausend Jahre in der Wüste verbracht, ohne Essen, ohne Trinken. Es war ein Verlangen, so groß, dass er sich nicht mehr vorstellen konnte, es jemals stillen zu können. Er brauchte es, er brauchte es jetzt, mein Gott, wie konnte Hunger so schlimm werden?
    Die Welt um ihn herum war verschwunden. Die Baustelle, sein Blut im Boden, der Kübel, die Mischmaschine, selbst Lea sah er nicht mehr. Es gab nur noch den Hunger, den Hunger und ihn selbst ...
    ... und diese heiß pulsierende Schlagader, nur eine Handbreit von seinem zitternden Mund entfernt ...
    Er wusste nicht mehr, zu welchem Tier oder Wesen diese Ader gehörte, er sah nur den Rhythmus des Herzschlags in dem dicken blauen Strang, sah nur den Schlüssel zum Ende all seines Leides, die Oase nach dem unendlichen Zeitalter, das er in der sengenden Wüste verbracht hatte. Er öffnete seinen gierigen Mund und riss mit dem rechten Eckzahn sanft, fast zärtlich, diese Vene auf, und das Blut ergoss sich in seinen vertrockneten Schlund und benetzte ihn, der Regen traf auf den aufgerissenen, schrundigen Boden des seit Jahrhunderten trockenen Sees, die wundervollsten Blumen öffneten sich und zeigten Blüten, deren Schönheit man noch nie zuvor gesehen hatte, und der Regen wurde zu einem reißenden Strom und brachte das Wasser des Lebens noch in die entferntesten Ecken des dürstenden Wüstenlandes, überall wuchsen Teppiche aus weichem Moos und lebendigem, saftigem Gras, Bäume und Sträucher, und das Land war ein Blumenmeer, und es würde nie wieder Hunger oder Durst leiden müssen. Die Zeit des Hungers war vorbei.
     
    Langsam entfernte sich Hans von dem blutigen Hals in seinen Händen und sah in das bleiche Gesicht eines Jungen, dessen tote Augen sinnlos ins Leere starrten.
    Hans blickte auf und gewahrte seine Tochter, kaum einen Meter entfernt. War sie die ganze Zeit hier gewesen? Die Erinnerung kam schleppend. Aber etwas war falsch, grässlich falsch. Es waren ihre Augen. Sie glänzten nicht mehr voller Bewunderung. Sie waren weit vor Schreck. Nein, nicht vor Schreck, in ihnen lag blankes Entsetzen und ungekanntes Grauen. Sie zitterte wie im Fieberwahn.
    Der Junge in seinen Händen. Hatte er ihn getötet? Die Wüste, der Regen ... hatte er im Beisein und unter den Augen seiner Tochter diesen Jungen mit dem Irokesenschnitt umgebracht, indem er die Zähne in seinen Hals geschlagen und ihn bis zum letzten Tropfen ausgesaugt hatte, ein bestialisches Fest für ein unmenschliches Monster? Hatte er das getan?
    Leas Augen antworteten ihm, deutlicher, als es alle Erklärungen vermocht hätten. Sie hatte Angst, fürchterliche Angst. Und noch etwas lag in ihrem Blick. Trauer.
    Noch einmal betrachtete Hans den Toten in seinen Armen. Er mochte um die achtzehn Jahre

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