Das Ritual der Gleißenden Dämonen (German Edition)

Toten.“
    „Mein liebes Dittmännchen, ich schätze Sie sehr, und wenn es stimmt, dass Kleinigkeiten die Menschen voneinander entfernen, Katastrophen sie jedoch einander näher bringen, wie Leopold Koch gesagt hat, dann sollten wir wahrscheinlich nach Abschluss dieses Falls heiraten. Aber tun Sie mir einen Gefallen und versuchen nicht auch noch Sie, meine Arbeit zu machen. Es reicht, wenn diese Müllmänner das tun. Danke sehr für Ihre Informationen, die Schlussfolgerungen werde ich selbst ziehen. Deshalb sitze ich hier und Sie dort.“
    „Sie sind heute wirklich wieder mal außergewöhnlich charmant.“
    „Von Charme stand nichts in meiner Stellenausschreibung. Aber trotzdem vielen Dank.“
     
    Eine Stunde, nachdem er sich über einen löchrigen Socken aufgeregt hatte, stand Ritterbusch über der Leiche eines minderjährigen Schuljungen. Er musste zugeben, dass der Kerl nicht sehr sympathisch aussah, aber musste man ihn deshalb gleich umbringen? Ritterbusch kannte ihn; seine Kollegen hatten ihn ein paar Mal wegen Drogenbesitzes mitgenommen, ihm aber den Handel damit nie nachweisen können. Nun schien es, als sei der Drogenhandel nicht das größte Problem des Bürschchens gewesen.
    Er wandte sich an den Arzt, der seine Arbeit eben beendet hatte. „Hallo, Quincy. Sie waren aber fix aus dem Bett.“
    Thomas Mortimer, den seine Kollegen nach der Fernsehserie „Quincy“ benannt hatten (schließlich war er nicht nur Gerichtsmediziner, sondern obendrein auch noch Amerikaner), brachte ein säuerliches Lächeln zustande. „Guten Morgen, Mr. Ritterbusch“, grüßte er mit leichtem Akzent, „leider nicht fix genug, möchte ich sagen. Der body wurde bereits bewegt.“
    „Ja, ich hatte davon gehört. Unsere übereifrigen Freunde und Helfer von der Müllabfuhr. Konnten Sie trotzdem irgendwas erkennen?“
    „Meiner Ansicht nach ist der Tod durch den enormen Blutverlust eingetreten. Wir haben hier eine riesige Blutlache, die allerdings fast zehn steps von der Leiche entfernt ist. Aber das will nichts heißen, er kann nach seinem Tod bewegt worden sein, vielleicht vom Täter, vielleicht von den Müllmännern – auch wenn sie behaupten, sie hätten ihn nur ein klein wenig angefasst, um seine identity festzustellen.“
    „Für alle Fälle vergleichen Sie bitte die DNA. Vielleicht ist in dieser Riesenpfütze auch noch ein bisschen Mörderblut für uns. Verletzungen?“
    „Zwei Stich- oder Bissverletzungen im Bereich der Jugularis, die offenbar für den Blutverlust verantwortlich sind. Außerdem multiple Frakturen im rechten Zeigefinger sowie diverse Abschürfungen und Blutergüsse, mutmaßlich durch einen battle. Sieht aus, als hätte ihn jemand mit ziemlicher power festgehalten, um ihm dann diese Stiche am Hals beizubringen und ihn ausbluten zu lassen wie beim Schächter. Aber warum sich jemand diesen trouble machen sollte, der anscheinend stark genug gewesen wäre, um ihm einfach das Genick zu brechen, kann ich mir nicht vorstellen.“
    „Sich das vorzustellen, ist ja auch meine Aufgabe. Mein Gott, was ist heute bloß los mit euch? Zig Jahre sitze ich in diesem Büro und habe das Gefühl, ich muss für alle anderen mitdenken, und seit heute Morgen wollen auf einmal alle Menschen um mich herum meine Arbeit erledigen. Dabei ist Arbeit das Feuer der Gestaltung, sagt Marx. Also lassen Sie mich jetzt bitte ein bisschen gestalten.“
    „Ich wünsche dann auch noch angenehmes Brennen im fire der Gestaltung“, verabschiedete sich Mortimer spöttelnd und stieg in seinen Wagen, um zurück ins Büro zu fahren.
    Ritterbusch blieb nachdenklich zurück und betrachtete den steif gefrorenen Körper. Dieser Tote sah definitiv anders aus als alles, was er bis dato in diesem beschaulichen Städtchen gesehen hatte. Wenn man es nicht besser wüsste, hätte man glauben mögen, ein Vampir habe ihn angefallen. Diese zwei Punkte am Hals, das fehlende Blut ...
    Aber das war natürlich Unsinn. Außerdem war hier ein ganzer gefrorener See aus Blut, man konnte im Blut Schlittschuh laufen, von wem sollte es sonst stammen als von diesem armen Jungen?
    Auf dem Weg zurück ins Büro hatte er das Gefühl, dass zwei Neuronen in seinem Gehirn verzweifelt versuchten, eine Verbindung miteinander herzustellen. Das eine speicherte die Information „Leiche, sieht aus wie vom Vampir gebissen“. Das andere ... was war doch gleich das andere ...
    Genau! Die andere Information lautete „hysterische Fünfzehnjährige, Paranoia und Vampirfimmel“. Es