Das Roemische Imperium
Unterhaltungsindustrie in Rom und in bescheidenerer Form auch in den Provinzen. Politiker nutzten das breite Interesse an Bühnenstücken
(ludi scaenici)
, Wagenrennen
(ludi circenses)
, Gladiatorenkämpfen
(munera)
und Tierhetzen
(venationes)
, sich durch solche teuren Veranstaltungen beliebt zu machen. Später übernahmen diese Lustbarkeiten die Funktion, das stets unruhige, nicht selten darbende Volk bei Laune zu halten und von den Nöten des Alltags abzulenken. Der Dichter Juvenal (um 60–128) brachte diese Strategie auf die Formel: Man gebe den Leuten „Brot und Spiele“
(panem et circenses)
.
Non olet
Die Konsolidierung des Kaisertums und des von Nero in enorme Schulden gestürzten Staates gelang Vespasian dank strikter Finanzdisziplin und geschickter Ausschöpfung vorhandener und Erschließung neuer Geldquellen. So führte er eine Steuer auf die Benutzung der öffentlichen Toiletten ein; die Anekdote erzählt, dass der Sohn Titus dagegen opponiert habe, vom Vater aber dadurch beschwichtigt worden sei, dass ihm dieser eine Münze unter die Nase gehalten habe mit der Bemerkung:
„Non olet!“
(Sie riecht nicht). Daraus entwickelte sich die Redensart: „Geld stinkt nicht.“ Noch heute heißen in Italien und Frankreich städtische Latrinen „vespasiani“ respektive „vespasiennes“. Natürlich nicht nur mit solchen Bagatellsteuern, aber eben auch damit und mit unnachsichtiger Verfolgung von Steuersündern kamen genug Mittel zusammen zur Erneuerung des Netzes der Wasserleitungen in Rom, zur Neubefestigung der Tiberufer gegen Hochwasser und für zahlreiche infrastrukturelle Aufgaben
.
Klarer Favorit beim Publikum war der Kampf auf Leben und Tod von Gladiatoren (
gladius
= Schwert) oder von möglichst exotischen und gefährlichen Tieren zunächst auf dem Forum, später im sogenannten Kolosseum (siehe Kasten S. 96). Besonders beliebt waren bizarre „Paarungen“ wie einer gegen mehrere, Tiere gegen Menschen, Löwe gegen Elefant, ganz unterschiedlich Bewaffnete gegeneinander, Riesen gegen Zwerge. Es wurde hoch auf Sieg gewettet, mitgefiebert, kommentiert und diskutiert, gejohlt beim elenden Verrecken der Verlierer und gemurrt bei zu ruhigem oder zu schnellem Sterben. Die Veranstalter flankierten das grausige Geschehen oft noch mit Hinrichtungen von Verurteilten in „fantasievoller“ Form. Am Ende eines Kampftages türmten sich die menschlichen und tierischen Kadaver.
Keilereien auf den Tribünen
Nicht ungern sah das Volk auch tödliche Unfälle bei Wagenrennen im Circus Maximus, doch stand dort natürlich eher die Dramatik der rasenden Wettfahrt der Gespanne im Vordergrund. Das Lenken der meist von vier Pferden gezogenen Zweiradwagen erforderte hohes Geschick vor allem an den Wendemarken. Stürze und Massenkarambolagen waren an der Tagesordnung, Keilereien auf den Tribünen unter den Anhängern der farblich gekennzeichneten Parteien ebenfalls. Fähige Fahrer strichen enorme Honorarsummen ein und wurden angehimmelt wie heute Popstars.
Schauspieler waren zwar oft nicht weniger beliebt, galten aber gesellschaftlich so wenig wie Gladiatoren. Vor allem weibliche Mimen rückte man in die Nähe von Prostituierten, da die drastischen, manchmal auch obszönen Stücke oft Nacktszenen vorsahen. Der Massengeschmack hat sich da seit damals als recht stabil erwiesen, auch was die sündhaft teure Ausstattung und die eingängige Begleitmusik angeht. Die Ansprüche an die literarische Qualität der Stoffe und Texte hingegen blieben bescheiden.
Im saarländischen Perl-Nenning fand man in den Resten einer römischen Villa einen Mosaikfußboden mit Darstellungen von Gladiatoren. Ihre Kämpfe wurden in der Regel bis zum Tod eines der Bewaffneten geführt
.
(c) dpa/picture alliance, Frankfurt am Main
Zerstörung Jerusalems
Der römisch-jüdische Krieg (66–73)
Eine der unruhigsten Regionen des römischen Weltreichs war Judäa (Palästina), das 6 n. Chr. der Provinz Syria zugeschlagen worden und damit unter stärkeren griechischen Kulturdruck geraten war. Die Zeiten, als König Herodes (regierte 37–4 v. Chr.) im Auftrag seines Freundes Augustus für einen einigermaßen friedlichen Ausgleich gesorgt hatte, waren vorbei. Die religiösen Differenzen zwischen dem Eingott-Glauben (Monotheismus) der Juden und der vielfältigen griechisch-römischen Götterwelt (Polytheismus) traten immer stärker zu Tage, wozu die Selbstvergöttlichung von Despoten wir Caligula nicht unwesentlich beigetragen hat. Im Jahre 66 entlud sich
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