Das Roemische Imperium
dass der Heermeister eigentlich gar nicht anders konnte, denn germanische Stämme fluteten über den Rhein nach Gallien hinein; eine geordnete Verteidigung war gar nicht mehr möglich. Da konnte man es sich mit den Goten im eigenen Land nicht auch noch verderben. Nach Stilichos Ende 408 jedenfalls spielte sich Alarich als dessen Rächer auf und begann erneut eine Offensive in Italien, wo es zur gleichen Zeit zu schweren Verfolgungen germanischer Söldner und ihrer Familien kam. Die Überlebenden flüchteten sich zu den Westgoten Alarichs, der sich auch als ihr Anwalt gegenüber Kaiser Honorius verstand.
Der Feind im Herzen des Reiches
Da dieser im sicheren Ravenna Verhandlungen verschleppte, stieß Alarich noch 408 nach Rom vor und belagerte die Stadt, die bald unter Hunger litt. Gegen ein enormes Lösegeld konnte sie noch einmal den Abzug der Goten erkaufen. Allerdings nur vorübergehend, denn immer noch verweigerte Honorius das von Alarich geforderte Siedlungsland. Die Goten machten daher kehrt und erschienen 410 erneut vor Rom. Dieses Mal aber ließen sie sich von der Aurelianischen Mauer nicht aufhalten, sondern erstürmten sie und plünderten die Stadt drei Tage lang. Ein Schock ging durch die gesamte Mittelmeerwelt. Militärisch von besonderer Bedeutung war der Fall Roms im Grunde nicht, doch dass der Feind plötzlich, zum ersten Mal seit achthundert Jahren (387 v. Chr. Galliereinfall) im Herzen des Reiches stand, wurde als Zeichen verstanden. Bei den Heiden für den Zorn der Götter über den Abfall der Römer von der angestammten Religion, bei den Christen für den Anbruch der Endzeit und das baldige Jüngste Gericht. In Städten aber wachsen keine Nahrungsmittel, und als die Goten alle Vorräte an sich gebracht und verbraucht hatten, stellte sich für Alarich wieder die Frage nach einer Ernährungsgrundlage für sein Volk. Er brach mit seinen Scharen nach Süden auf, wo er auf Sizilien oder in der Provinz Africa eine Basis zu finden hoffte. Er starb jedoch noch 410 und wurde im Busento bei Cosenza begraben. Der Legende nach leiteten die Goten den Fluss für die Beisetzung um und gaben ihm erst danach sein altes Bett zurück, damit das Grab ihres verehrten Führers nie gefunden und nie geschändet werden konnte.
Verlust im Norden
Dass der Eindruck eines Anfangs vom Ende so falsch nicht war, machte auch ein anderes Zeichen deutlich. Ende des 3. Jahrhunderts war der Versuch einer Abtrennung Britanniens vom Reich noch ziemlich schnell gescheitert. Jetzt, gut hundert Jahre später, gelang nicht einmal mehr die Abriegelung der Durchbrüche von Pikten, Scoten und sächsischen Verbänden durch den Hadrianswall, der nach und nach aufgegeben werden musste. Es waren einfach zu viele römische Truppen abgegeben worden, und bei den verbliebenen Verteidigern handelte es sich zumeist um „barbarische“ Hilfstruppen, die mit den Angreifern sympathisierten oder gar zu ihnen überliefen. Hilferufe der römischen Beamten und Militärs verhallten entweder ungehört oder wurden mit der Aufforderung beschieden, selbst eine Verteidigung zu organisieren. So Kaiser Honorius 410. Britannien war damit faktisch für das Reich verloren, wenn auch noch später Ansprüche immer wieder erhoben wurden.
„Der Einzug Alarichs in Rom“ nannte Hermann Knackfuß (1848-1915) seine Zeichnung von 1890, die später koloriert wurde. Er entwarf den Westgotenkönig als zottigen wilden Kerl, der sein Kommen mit Fanfaren ankündigt und niedermachen lässt, was sich ihm in den Weg stellt
.
(c) dpa/picture alliance, Frankfurt am Main
Geisel, Gotin, Kaiserin
Das bewegte Leben der Galla Placidia (390–450)
Bei der Erstürmung Roms fiel den Goten eine ganz besondere Beute in die Hände: Galla Placidia, 390 geborene Tochter des großen Theodosius I., Schwester der Kaiser Honorius und Arcadius. Mit ihr wollte Alarich Druck ausüben, um von Honorius Land für sein Volk zu erzwingen. Als Alarich früh starb, übernahm Athaulf die Krone der Westgoten, führte sie nach Südgallien und heiratete dort 414 die Geisel Galla Placidia. Von den Römern unter dem Heermeister Flavius Constantius bedrängt, wich Athaulf nach Spanien aus, fiel dort aber schon 415 durch Mörderhand. Sein Nachfolger Vatia erreichte 417 ein Arrangement mit Constantius, indem er gegen die Rückgabe von Galla Placidia und gegen die Erneuerung des Bündnisvertrags mit den Römern 418 die Ansiedlung der Goten in Aquitanien zwischen Atlantik und Rhône, Hauptort Tolosa (Toulouse),
Weitere Kostenlose Bücher