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Das Rosenhaus

Das Rosenhaus

Titel: Das Rosenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Harvey
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auf, Mann. Möchtest du mal
echtes Leid sehen? Wie wär’s, wenn wir deinen Röntgentermin schwänzen und
stattdessen mal auf die Kinderstation gehen? Da kannst du Kinder sehen, die
wirklich schlimmere Verletzungen und Krankheiten mit deutlich mehr Würde
ertragen als du.«
    Liam schluckte leer.
    Er musste an damals denken.
    An die Hilflosigkeit, die noch so oft Gegenstand seiner Albträume
war.
    Wie lange war das jetzt her?
    Wie konnte ihm das so nah und doch so fern vorkommen?
    Schnell verdrängte er die unerträglichen Gedanken wieder.
    »Was hast du eigentlich vor? Mir ein Geständnis über den Zustand
meiner Ehe zu entlocken? Vergiss es.«
    Jetzt war es Dylan, der schwer seufzte.
    »Ich habe vor, dir klarzumachen, dass du die Sache völlig falsch
angehst.«
    »Ich versuche lediglich, wieder gesund zu werden und mein Leben
weiterzuleben.«
    »Ja, super, und dabei gleichzeitig alle Menschen vor den Kopf zu
stoßen, die etwas für dich übrig haben? Jetzt hör mal zu, Liam. Was dir da
passiert ist, das war natürlich große Scheiße, keine Frage. Aber du wirst
wieder gesund werden. Ich weiß, dass es nicht leicht ist, aber statt dich
dauernd nur zu bemitleiden, könntest du doch vielleicht mal darüber nachdenken,
was für ein verdammtes Glück du gehabt hast. Du hättest sterben können. Aber du
lebst. Und wenn du so weitermachst, geht vielleicht etwas anderes in deinem
Leben, was mindestens genauso wichtig ist, für immer kaputt.«
    Liam glotzte wie ein trotziges Kind aus dem Fenster.
    »Du lebst, Liam, deiner Birne ist nichts passiert, in ein paar
Monaten werden von deinen Verletzungen nur noch die Narben übrig sein, und du
wirst eine grandiose Geschichte auf Lager haben, die du mal deinen Kindern
erzählen kannst.«
    »Halt an.«
    »Was?«
    »Du sollst anhalten, verdammt noch mal!«, schrie Liam ihn wütend an.
    Dylan warf einen Blick in den Rückspiegel, dann trat er so heftig
auf die Bremse, dass die Gurte ihn und Liam zurückhielten und der Motor
schließlich absoff.
    Die Vollbremsung schien seinen Ärger verjagt zu haben.
    Zusammengesunken saß er auf dem Beifahrersitz.
    Sie schwiegen. Liams sich langsam wieder beruhigende Atmung war das
Einzige, was sie hörten.
    Dann endlich sagte er etwas, aber so leise, dass Dylan ihn nicht
verstand und ihn bitten musste, es zu wiederholen.
    »Ich sagte, du hast verdammt noch mal nicht die blasseste Ahnung,
wovon du redest.«
    »O doch, Liam, glaub mir. Ich habe Menschen genesen sehen, die viel
schlimmere Verletzungen hatten als du. Du hättest dein Bein verlieren können.«
    »Das wäre mir lieber gewesen … Gegen die körperlichen Schmerzen gibt
es ja genügend Mittel …« Aus hohlen Augen sah er Dylan an. »Aber gibt es auch
etwas gegen die seelischen Schmerzen, Dylan? Gegen meine Schmerzen? Na los, sag schon. Du hast doch immer auf alles eine Antwort. Gibt
es etwas?«
    Nachdenklich sah Dylan ihn an. Er wählte seine Worte mit Bedacht.
    »Könnte es dir vielleicht helfen, mit jemandem zu reden, Liam?«
    Liam schnaubte verächtlich.
    »Ich will keinen Seelenklempner!«
    »Mag ja sein, dass du keinen willst, aber könnte es nicht sein, dass
du einen brauchst ?«
    »Ich will und brauche keinen verdammten Seelenklempner, kapiert?«
    »Okay, okay … kapiert. Aber dann rede doch zum Beispiel mit mir,
erklär mir, wie es dir geht, rede mit Peter, der ist doch dein bester Freund,
der wird dich verstehen … Aber vor allem, Liam, rede bitte und verdammt noch
mal endlich wieder mit deiner Frau!«
    Beide Männer verfielen in wütendes Schweigen, das sie nicht zu
brechen vermochten.
    Als Dylan die Stille nicht mehr aushielt, startete er den Motor und
fuhr weiter.

    »Wo fahren wir hin?«
    »Nach Porthcurno.«
    »Ist das weit?«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Viertelstunde, höchstens. Ich kann gar nicht glauben, dass du da
noch nie gewesen bist.«
    »Das habe ich nicht gesagt.«
    Er blickte zu ihr hinüber.
    »Bist du denn schon mal da gewesen?«
    Sie lächelte ihn an.
    »Nein. Also, was genau ist Porthcurno?«
    »Einer der schönsten Strände hier.«
    »Fährst du dahin, um zu arbeiten?«, fragte sie mit Blick auf die
Fotoausrüstung auf dem Rücksitz.
    »Als Fotograf ist man immer im Dienst. Aber heute geht’s mir
wirklich mehr um den Genuss als um gute Bilder. Porthcurno ist einer meiner
Lieblingsorte in Cornwall, ach, was sage ich, in der ganzen Welt. Im Sommer
könnte man meinen, man wäre am Mittelmeer, der Sand ist fast weiß und das Meer
jadegrün.

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