Das Rosenhaus
danach erst mal für eine
Weile nach New York.«
»Was ist in New
York?«
»Ein anderes Leben.«
»Eine Frau?«
Er schüttelte den Kopf.
»Was das angeht, habe ich dich nicht angelogen. Aber es gibt da
jemanden, der gerne mehr von mir hätte.«
»Und willst du das auch?«
Er nahm ihr Gesicht in seine Hände und sah ihr fest in die Augen.
»Wenn du mich jetzt bitten würdest, nach diesem Job direkt hierher
zurückzukommen, würde ich das tun.«
Bedeutungsschwanger hingen seine Worte in der Luft.
Er sah ihr ihre Unentschiedenheit an, aber auch, was sie gleich antworten
würde. Und darum tat er das, was er vom ersten Tag an hatte tun wollen und
wofür sich ihm hier und jetzt die letzte Chance bot: Er küsste sie.
Zunächst erwiderte sie seinen Kuss, schlang die Arme um seine Taille
und zog ihn näher an sich heran.
Einen Moment lang fühlte es sich so gut an, und so richtig.
Als sie sich wieder ansahen, standen ihr erneut Tränen in den Augen.
»Es tut mir so leid … Wenn die Dinge anders lägen … aber …«
»Du liebst Liam.«
Sie nickte.
»Aber das heißt nicht, dass ich nicht … dass ich …«, stammelte sie.
Dann seufzte sie und fing noch mal von vorne an: »Aber das heißt nicht, dass
ich dich nicht in meinem Leben haben möchte … das wäre auch nicht richtig …«
Zärtlich legte er ihr den Zeigefinger auf die Lippen.
»Mach dir keine Sorgen, Lily. Ich verspreche dir, dass unsere
Beziehung hiermit nicht beendet ist. Es wird nur von heute an eine andere
Beziehung sein als die, auf die ich gehofft hatte …« Er ließ die Hand sinken.
»Freunde?«
»Auf jeden Fall«, nickte Lily. »Allerdings verabschieden Freunde
sich in meiner Welt nicht per Handschlag.«
»Aber sie küssen sich wohl auch nicht auf den Mund, oder?« Er war
erleichtert, als sie sein Lächeln erwiderte.
»Leider nicht, nein … Also, wie wäre es mit einer Umarmung?«
Er nickte und sie nahmen sich in den Arm. Mit einem geflüsterten
»Bis bald« löste er sich von ihr, drehte sich um und ging. Es zerriss Lily fast
vor Reue und Sehnsucht, und am liebsten hätte sie Nathan zurückgerufen.
Doch sie schaute ihm schweigend nach.
26
L iam
konzentrierte sich nun voll und ganz auf seine weitere Genesung. Der Nachteil
dieser positiven Entwicklung war, dass Dylan bald ausziehen würde, denn jetzt,
wo mit dem Gips dieser letzte buchstäbliche Klotz am Bein verschwunden war, war
Dylans Anwesenheit eigentlich genauso wenig erforderlich wie das
Krankenhausbett und das Schlafzimmer im Erdgeschoss.
Liam hatte ihn überzeugt, noch etwas zu bleiben. Er konnte nur
schwer damit umgehen, dass er sich einerseits nichts sehnlicher wünschte, als
endlich wieder unabhängig zu sein, und gleichzeitig keine Ahnung hatte, wie das
Leben ohne Dylan weiterlaufen sollte.
Aber irgendwann würde er natürlich ausziehen.
Und dann würden nur noch Lily und er übrig bleiben.
Warum fühlte sich das bloß so seltsam an?
Er wusste gar nicht, was »Lily und er« überhaupt noch bedeutete, das
war es wahrscheinlich. Ob sie sich jemals wiederfinden würden?
Da fiel ihm etwas ein.
Es dauerte eine Weile, bis er die Überreste der Vase gefunden hatte,
und es tat ihm in der Seele weh, sie in so vielen Scherben zu sehen. Jetzt war
eine ruhige Hand gefragt. Ob seine Finger, die manchmal immer noch
Schwierigkeiten hatten, simple Knöpfe auf- und zuzumachen, wohl einer so
diffizilen Geduldsprobe gewachsen waren?
Die Clarice-Cliff-Vase war immer ein Symbol ihrer Beziehung gewesen.
War sie es auch jetzt? War ihre Beziehung zerbrochen? Ein Scherbenhaufen? Nur
weil er trotz aller Anstrengung zu blöd war, etwas richtig zu machen?
Eines zumindest wusste er ganz sicher: Sie musste die Wahrheit
erfahren.
In jenen ersten Tagen, nachdem der Gips entfernt worden
war, saßen Peter, Wendy und Dylan häufig mit ihnen gemeinsam in der Küche.
Peters Gesellschaft versetzte Liam und Lily immer dorthin zurück, wo sie
eigentlich sein sollten, auch wenn die Umstände schwierig waren.
Wenn sie so beieinander saßen, wenn Lily strahlte und lachte, dann
erinnerte sich Liam wieder daran, wie es einmal gewesen war.
Nun fühlte er sich auch stark genug, seine Arbeit wieder aufzunehmen
und fuhr mit Peter nach Truro. Erst ins Büro und dann auf die Baustelle, wo
Duncan Corday ihn so überschwänglich begrüßte, als sei er der verlorene Sohn.
Mit Pauken und Trompeten, damit es auch wirklich jeder mitbekam.
Dieser Überschwang hätte den Liam, der vor Monaten frisch
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