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Das Rosenhaus

Das Rosenhaus

Titel: Das Rosenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Harvey
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erregen?
    Jemand, der nicht zu ihr ins Schlafzimmer hinauf kommen konnte.
    Doch als sie sich den Morgenmantel überwarf und aus dem Fenster
schaute, blickte sie nicht in das Gesicht, das sie erwartet hatte.
    Einen Moment lang standen sie einfach nur da und sahen einander
dann. Dann nickte sie, schlüpfte in die nächstliegenden Klamotten, schlich sich
die Treppe herunter und entwich in die milde Nachtluft.
    Erst dachte sie, er sei wieder weg, doch als ihre Augen sich an das
Dämmerlicht gewöhnt hatten, sah sie, dass er sich lediglich etwas vom Haus
entfernt hatte.
    Verlegen lächelte er sie an, als sie sich ihm näherte. Sie zog die
Strickjacke eng um sich. Die Situation behagte ihr nicht.
    Er bemerkte, wie sie sich nach dem Haus, nach Liams Fenster umsah.
    »Tut mir leid, dass ich um vier Uhr morgens Steinchen an dein
Fenster werfe wie ein Schuljunge … Ich weiß, dass sich das nicht gehört, aber
ich wollte mich von dir verabschieden.«
    »Du gehst wieder auf Reisen …«
    Er nickte. Und war überrascht, wie sehr es ihn freute, Enttäuschung
in ihrer Stimme zu hören.
    »Ich weiß, es ist ein ziemlich beknackter Zeitpunkt, aber ich wollte
mich gerne persönlich von dir verabschieden.«
    »Schon gut … Das freut mich. Wann … Ich meine, kommst du irgendwann
wieder?«
    »Ja, sicher … Ich weiß nur noch nicht, wann.«
    Sie presste die Lippen aufeinander und schwieg. Dann verschränkte
sie die Arme und zuckte mit den Schultern.
    »Wo soll’s denn hingehen?«
    »Papua Neuguinea.«
    Sie lachte leise.
    »Den Namen hab ich schon mal gehört, aber das war’s dann auch schon.
Peinlich, oder? Ich weiß nicht einmal, wo das liegt.«
    »Zwischen Indonesien und Australien.«
    »Ganz schön weit weg …«
    »Fast zwanzigtausend Kilometer. Aber nur vierundzwanzig Flugstunden
…«
    Sie biss sich auf die Lippe. Es war ihr anzusehen, dass sie diese
Nachricht aufwühlte, und darum wagte er, sie zu fragen: »Meinst du, du schaffst
das alles?«
    Sie ging sofort in die Defensive.
    »Du brauchst dir um mich keine Sorgen zu machen.«
    »Steht mir nicht zu, was?« Sie trat einen Schritt von ihm zurück,
während er in Richtung Haus blickte. »Ich habe ihn gestern nach Hause kommen
sehen. Deinen Mann. Ohne Rollstuhl.«
    Sie lächelte, sah zu Boden, wo ihr Fuß mit einem Steinchen spielte,
und blickte dann wieder zu ihm auf.
    »Ja. Endlich mal eine gute Nachricht.«
    »Es kann also nur besser werden?«
    »Das hoffe ich. Wann geht dein Flug?«
    Er sah auf die Uhr.
    »Um zwölf. Ich muss jetzt wirklich los.«
    »Klar. Also dann … gute Reise.«
    »Danke …« Er berührte sie am Arm. »Gleichfalls.«
    »Ich verreise doch gar nicht.«
    »Freut mich zu hören.«
    »Wenn du zurückkommst, schaust du vorbei und meldest dich?«
    »Auch wieder um vier Uhr morgens?«
    Lily lachte leise.
    »Jederzeit.«
    »Wenn das so ist, werde ich nächstes Mal um Mitternacht am Fallrohr
zu deinem Fenster hinaufklettern.« Sie lachten beide, und dieses gemeinsame
Lachen erlaubte es ihnen, sich kurz und einigermaßen unbefangen zu umarmen.
    Die Sonne tauchte langsam aus dem Meer auf, und beide sahen dabei
zu, wie die ersten Strahlen die schwarzen Wellen golden färbten.
    »Wie ein Gemälde«, murmelte er.
    »Kunst spiegelt das echte Leben wider«, sagte sie leise.
    »Stimmt. Aber auch umgekehrt.«
    »Wie meinst du das?«
    »So wie Oscar Wilde … Das Leben imitiert die Kunst.«
    »Und wie ist er darauf gekommen?«
    Er freute sich, sie wieder lächeln zu sehen.
    »Ach, ganz einfach … Also … Das Leben … Der Umgang mit dem Leben … na ja … Das ist alles nur eine Frage der Perspektive …«
    Lily nickte.
    »Manchmal sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht, wenn man
selbst von etwas betroffen ist«, sagte sie leise, wie zu sich selbst.
    Er sah sie intensiv an.
    Er hatte es ihr bereits bei ihrer allerersten Begegnung unten am
Hafen angesehen. Trotz ihrer Schönheit hatte sie etwas unfassbar Trauriges
ausgestrahlt, ja, regelrechte Seelenpein – und genau diese Dualität hatte er
festhalten wollen, ohne ihr zu nahe zu treten.
    Heute konnte er sich nicht mehr zurückhalten.
    Unsicher, ob das angemessen war, ergriff er Lilys Hand.
    Sie war eiskalt.
    »Lily … das Bild … das Bild, das du gemalt hast … an eurer Treppe …
Das ist wirklich wunderschön. Du sagst, du malst nicht mehr. Ich finde, das
darf nicht sein, wenn du doch in der Lage bist, etwas so … Bewegendes zu produzieren. Als mir die Verbindung zu Eloise klar wurde, habe ich dich

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