Das Rosenhaus
brennenden
Kerze flackerte.
»Weißt du was? Ich habe einen ziemlich beschissenen Tag gehabt. Das
kann ich jetzt echt nicht gebrauchen.« Abwehrend hob er die Hände.
»Du meinst, du kannst mich nicht gebrauchen, das willst du doch in
Wirklichkeit sagen, du brauchst mich nicht mehr!«
Ungläubig schüttelte er den Kopf.
»Du bist nicht du selbst, Lily.«
»Woher willst du wissen, wer ich bin«, entgegnete sie stumpf und ohne
ihn anzusehen.
Die Ungeduld, die aus seinem nächsten Seufzer sprach, war
ernüchternd.
»Ich kann nicht mit dir reden, wenn du so drauf bist.« Auch er hatte
den Blick von ihr abgewandt.
Unvermittelt stand er auf.
»Ich gehe ins Bett.«
»Na großartig!«, fauchte sie ihm hinterher. »Das heißt, du willst
heute Nacht tatsächlich im gleichen Zimmer mit mir schlafen? Das ist ja mal
ganz was Neues!«
Er hatte ihr den Rücken zugewandt. Sie wusste genau, dass
er nur so tat, als würde er schlafen, er atmete viel zu regelmäßig, irgendwie
künstlich. Lily lag steif vor Wut neben ihm und starrte an die Decke.
Als sie hörte, wie seine Atmung sich entspannte, war ihr klar, dass
er eingeschlafen war. Das machte sie nur noch wütender.
Wie konnte er bloß schlafen?
Sie waren noch nie im Streit schlafen gegangen. Nicht, dass sie sich
oft gestritten hätten, aber wenn doch, dann hatten sie sich immer
ausgesprochen. Lily hätte lieber bis zum Morgengrauen mit ihm diskutiert, als
diese Spannung auszuhalten. Bei ihr war jedenfalls an Schlaf nicht zu denken.
Mit einem Mal war sie ganz nüchtern und glockenwach. Ihr rasten so viele
Gedanken durch den Kopf, die sie nicht aussprechen konnte.
Was passierte bloß mit ihnen?
Sie hatten doch mal eine wunderbare Beziehung geführt, hatten so
viel durchgemacht. Und nun? Sie waren sich so fern. Immer wieder hatte sie ihre
Sorgen beiseitegewischt, und das Gespräch mit Peter hatte sie auch beruhigt …
Aber sie hatte ja auch diese Frauen bei der Tennisparty reden gehört.
Vielleicht war ja etwas Wahres daran? Vielleicht entsprangen ihre Befürchtungen
jenem berühmten sechsten Sinn, den Ehefrauen bezüglich ihrer Ehemänner haben,
und eben nicht einer dem ständigen Alleinsein geschuldeten irrationalen
Eifersucht.
Es gab nur einen Menschen, der ihre Ängste zerstreuen und ihre
Fragen beantworten konnte. Früher, als zwischen ihnen alles in Ordnung war,
hätte sie mit Liam über das, was sie mitgehört hatte, geredet, und
wahrscheinlich hätten sie gemeinsam darüber gelacht. Aber jetzt …
Sie drehte sich zu ihm um.
Auch er hatte sich ihr zugewandt. Sie betrachtete ihn. Er sah so
friedlich, so ungetrübt aus, so sehr wie der Liam, den sie einst kannte und
liebte. Ihr Ärger legte sich. Er hatte neue Falten bekommen. Sie unterdrückte
den Impuls, sie mit der Fingerspitze nachzuzeichnen.
Verlangte sie etwa zu viel? Hatte sie sich nicht auch von ihm
entfernt?
Sie legte ihre Hand auf seine, und er schlang die Arme um sie, zog
sie an sich und schlief weiter.
Wieder wachte sie mit einem Brummschädel auf. Sie war
allein im Bett. Es dauerte ein paar Sekunden, bis sie sich an ihren Streit und
den insgesamt enttäuschenden Abend erinnerte, was ihre Übelkeit nur verstärkte.
Als sie im Morgenmantel und mit ausgeprägtem Kaffeedurst die Treppe
herunterkam, war er bereits in der Küche und reichte ihr versöhnlich lächelnd
eine dampfende Tasse.
»Lass uns nicht mehr streiten, Lily.«
Das war die weiße Flagge, auf die sie gehofft hatte, aber irgendwie
reichte sie ihr nun doch nicht mehr. Das hatte vielleicht damit zu tun, dass er
bereits komplett bürofertig war. Auch wenn sie selbst nicht ganz verstand,
weshalb sie das überraschte. Vielleicht hatte sie gehofft, dass der gestrige
Abend ihn dazu veranlasst hätte, sich heute Morgen Zeit für ein Gespräch zu
nehmen. Aber seine Aktentasche stand schon bereit.
Sofort war Lily wieder wütend. Sie wandte sich von ihm ab und tat,
als würde sie sich einen Toast machen.
Er schaltete das Radio aus, das leise im Hintergrund gespielt hatte,
ging zu ihr und legte ihr die Hand auf die Schulter.
»Lily, du bist nicht du selbst.«
»Was meinst du?« Sie griff nach der Butter im Kühlschrank und
befreite sich so von seiner Hand.
»Na, wie du dich verhältst. Du schmollst, statt mit mir zu reden.«
»Vielleicht kann ich einfach nicht mehr so gut mit dir reden wie
früher.« Ihr Ton war harscher als beabsichtigt, und als sie sich entschuldigend
zu ihm umdrehte, sah sie ihm an, dass sie ihn verletzt
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