Das Rosenhaus
Leben. Und habe es für dich
aufgegeben. Für dich, Liam. Und jetzt erzählst du mir, dass ich mich nicht auf
dich verlassen soll? Wenn du das wirklich so meinst, dann weiß ich gar nicht,
wieso ich überhaupt mit dir hierhergekommen bin.«
Es folgte ein Schweigen, das er schließlich brach.
»Meinst du das wirklich ernst, was du gerade gesagt hast?«
»Ja«, keifte sie ihn an und bereute es im selben Augenblick.
Natürlich meinte sie es nicht in dieser Endgültigkeit.
»Dann weiß ich es auch nicht«, entgegnete er tonlos, ließ ihre Hände
los, wandte sich ab und rauschte aus der Küche. Im Gehen schnappte er sich die
Autoschlüssel und seine Aktentasche, dann riss er die Haustür auf. Lily rannte
hinter ihm her.
»Ich weiß es auch nicht!«, schrie sie ihm hinterher, als er die Tür
hinter sich zuschlug. »Ich weiß es verdammt noch mal auch nicht!«
Lily hörte den Motor des Range Rovers aufheulen. Wütend drehten die Räder
durch, als Liam anfuhr, und das Getriebe kreischte, als er schaltete. Dann bog
er nach links auf die Hauptstraße ab, und jegliches Geräusch verebbte.
Lily lehnte sich gegen die Wand und ließ sich auf den Boden sinken.
Sie schrie aus Leibeskräften, bis sie keine Puste mehr hatte.
»Was ist denn bloß mit uns los?«, jammerte sie und wischte sich die
Tränen aus dem Gesicht. »Ich kenne diesen Liam gar nicht. Und er besitzt die
Frechheit, mir zu sagen, dass ich mich verändert
hätte – dabei ist er es, der ein ganz Anderer geworden
ist! Verdammt noch mal! Ich hasse ihn! Ich hasse Cornwall! Ich will weg von
hier!«
Sie rappelte sich auf und ging nach oben ins Schlafzimmer, wo sie
die Türen ihres neuen Kleiderschranks aufriss, einen Koffer hervorzerrte und
anfing, wahllos Klamotten hineinzuwerfen. Viel hatte sie ja nicht. Das meiste
befand sich immer noch in Kisten auf dem Dachboden. Doch selbst als ihr wild
klopfendes Herz sich langsam beruhigte, hörte sie nicht auf. Sie packte ihre
Koffer. Tief in ihrem Herzen wusste sie, dass sie ihn nicht verlassen wollte,
und ein Funke Vernunft in ihr konnte nicht recht glauben, was sie da tat. Aber
sie wurde gnadenlos angetrieben von ihrer Wut, ihrer Enttäuschung und ihrer
Empörung. Sie war so außer sich, dass sie drastischer handeln musste als sonst
– ein Strandspaziergang reichte dieses Mal einfach nicht aus. Sie musste Liam
zeigen, wie unglücklich sie war. Sie musste etwas tun, was ihr quälendes
Heimweh nach London wenigstens im Ansatz stillte.
Heimweh … Sie hatte immer geglaubt, ihr Heim, ihr Zuhause sei dort,
wo Liam war. Jetzt war sie sich dessen nicht mehr so sicher. Würde sie sich in
London auch ohne ihn wieder heimisch fühlen? Sie wusste es nicht. Sie wusste
nur, dass sich Rose Cottage nicht wie ihr Zuhause anfühlte, selbst wenn Liam da
war.
Sie schleppte den Koffer die Treppe hinunter, dumpf und schwer
schlug er auf jeder Stufe auf. Unten stolperte sie beinahe. Sie stellte den
Koffer unsanft neben der Haustür ab, drehte sich um und marschierte in Liams
Arbeitszimmer. Auf dem Zeichentisch befand sich Liams Entwurf vom Atrium des
Kunstzentrums, eine beeindruckende Konstruktion mit einer Glaskuppel.
Verbittert lachte sie auf. Sie hasste dieses Gebäude fast so sehr wie Cornwall.
Der Plan war mit einigen Kommentaren versehen.
»Gefälle ändern wg. Bauvorschriften.«
»Sturz anheben, zu wenig Kopffreiheit.«
Sie wusste genau, dass das Arbeitszimmer und dieser Plan Liams erste
Anlaufstelle sein würden, wenn er nach Hause kam. Falls er nach Hause kam.
Sie nahm sich einen der Bleistifte, der auf der Stiftablage des
Zeichentisches lag, und malte mit zitternder Hand ein Strichmännchen, das das
Gebäude verließ.
»Lily geht«, schrieb sie als Kommentar daneben. »Zu wenig Liebe und
Aufmerksamkeit.«
Sie fragte sich, wie lange es wohl dauern würde, bis er es
entdeckte.
Lily wusste sehr wohl, dass diese Aktion kindisch war, aber das
hielt sie trotzdem nicht davon ab. Sie ließ den Bleistift zu Boden fallen,
verließ mit energischen Schritten das Arbeitszimmer, nahm ihren Mantel vom
Haken, packte den Koffer und wandte sich dem kleinen Tisch zu, auf dem
normalerweise ihr Autoschlüssel lag, um diesen mit größerer Entschlossenheit,
als sie tatsächlich empfand, zu schnappen.
Dabei stieß sie mit der Hand gegen die kleine Vase, die dort stand.
Lily ließ Mantel und Koffer fallen, um sie aufzufangen.
Es war eine Clarice-Cliff-Vase. Liam hatte sie ihr an dem Tag, an
dem er um ihre Hand anhielt, auf einem Flohmarkt am
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