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Das Rosenhaus

Das Rosenhaus

Titel: Das Rosenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Harvey
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Strand von Santa Monica
gekauft, und sie hatte die Vase immer in Ehren gehalten.
    Damals war alles ganz anders gewesen. Sie waren sich so unendlich
nah, so verliebt. Sie hätte niemals gedacht, dass sie einmal an den Punkt
gelangen würden, an dem sie heute waren. Lily erinnerte sich schmerzhaft an die
Vertrautheit, die sie einst verbunden hatte. Eine Vertrautheit, die Stück für
Stück verloren gegangen war.
    Sie hielt die Vase in der Hand, spürte ihr Gewicht. Und plötzlich
ließ sie sich auf die Treppe sinken und schämte sich in Grund und Boden für ihr
Verhalten. Am liebsten hätte sie schon wieder geheult.
    Liam hatte recht. Sie hatte sich verändert. Sie wurde immer mehr zu
einem Menschen, den sie selbst nicht wiedererkannte und der sie gar nicht sein
wollte. Seit Monaten hatte sie sich im Stillen beklagt und sich eingeredet,
dass sie sich nur einmal in Ruhe zusammensetzen und alles bereden mussten.
Genau das hatte er heute Morgen versucht, und sie Idiotin hatte ihn komplett
auflaufen lassen.
    Sie wusste, was jetzt zu tun war.
    Sie würde ihn anrufen und sich entschuldigen.
    Gedankenverloren umklammerte sie die Schlüssel so fest, dass sie ihr
ins Fleisch schnitten. Die kleine Vase ruhte in ihrer linken Hand. Die Zeit
verstrich.
    Da zerfetzte das Schrillen des Telefons die Stille und ließ Lily
erschrocken zusammenfahren.
    Das war bestimmt Liam. Sicher wollte auch er sagen, dass es ihm leid
tat, dass er sie liebte und dass bald alles wieder gut sein würde. In ihrer
Eile rutschte sie fast auf dem Steinfußboden aus. Sie hielt sich am Geländer
fest, ließ die Schlüssel fallen und hob den alten Bakelit-Hörer so schwungvoll
ab, dass er ihr entglitt und zu Boden fiel. Hektisch hob sie ihn auf, drückte
ihn sich ans Ohr und bemühte sich, ganz normal zu klingen, als sie sich
meldete.
    »Lily … Lily …?«, hörte sie eine vertraute Stimme besorgt ihren
Namen rufen.
    »Hallo?«
    »Lily! Gott sei Dank, du bist da.«
    Es war nicht Liam, sondern Peter. Er klang kurzatmig und
durcheinander.
    »Lily, ach, Lily, es ist … Liam …« Seine Stimme brach. Er
schluchzte. »Er hatte einen Unfall. Einen schrecklichen Unfall. Lily, hörst du
mich? Lily?«
    Wie in Zeitlupe entglitt ihr nun auch die kleine Vase. Sie ging zu
Boden und zerbrach. Lily hörte es nicht. Sie war umgeben von einer absoluten,
erdrückenden Stille.

 

    7
    P eter saß auf
einem der grauen Plastikstühle im Wartebereich und starrte auf einen mit Kaffee
gefüllten Plastikbecher, der vor ihm auf dem niedrigen Tisch stand. Er war ganz
allein. Als er ihre Schritte hörte, sah er auf und versuchte zu lächeln, aber
sein gequältes Gesicht wollte nicht Folge leisten. Stattdessen stand er da,
streckte die Arme aus und schlang sie schweigend um Lily. Jeder konnte spüren,
wie der andere zitterte. So standen sie eine ganze Weile da und sagten kein
Wort.
    »Wo ist er?«, fragte sie schließlich.
    »Im OP .«
    Sie sah ihm an, dass er mit den Tränen kämpfte, und das machte ihr
Angst. Peter war immer so liebenswert, so unbekümmert, so fröhlich … Sie hatte
ihn noch nie weinen sehen.
    »Was ist passiert?«, flüsterte sie mit rauer Stimme.
    »Das Gerüst. Ist einfach zusammengekracht. Diese verdammte
Glaskuppel, er war da oben, um wieder mal nach der verdammten Glaskuppel zu
sehen. Er ist fast zwanzig Meter tief gefallen, Lily.«
    »Wird er wieder gesund?«, fragte sie stumpf.
    »Ach, Lily. Ich weiß es nicht. Es tut mir so leid. Ich weiß es
wirklich nicht.«
    Peters Gesicht verzerrte sich wieder. Er zog Lily noch einmal eng an
sich, damit sie nicht sehen konnte, wie nah er einem Zusammenbruch war.
    Sie sagte nichts, sie weinte nicht, aber er spürte, dass jegliche
Wärme aus ihrem Körper gewichen war.
    Wie auf Autopilot war Lily zum Krankenhaus gefahren. Sie war
betäubt, hatte keinen Kontakt zur Gegenwart, zur Wirklichkeit. Sie sagte sich
immer wieder, dass alles gut werden würde, dass alles nicht so schlimm war,
dass er nur leicht verletzt war, dass es schlimmer aussah, als es tatsächlich
war.
    Aber jetzt konnte sie sich nichts mehr vormachen.
    »Mrs. Bonner?«
    Lily sah auf.

    Es vergingen zwölf Stunden, bis Lily ihn endlich sehen
durfte.
    Sie erkannte ihn kaum wieder. Sein Kopf war fast vollständig
bandagiert, das rechte Auge verschwand unter dem Verband, und das linke war
zugeschwollen und blau. Er war von allen möglichen Geräten und Bildschirmen
umgeben, Schläuche drangen über Mund und Handgelenk in ihn ein. Es sah alles

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