Das Rosenhaus
bei den Cordays
zu übernachten.
Wütend trank sie einen so großen Schluck Wein, dass sie sich daran
verschluckte. Als sie sich ausgehustet hatte, spülte sie gleich noch mehr
hinterher.
Als die Flasche leer war, war es bereits nach fünf, und der schwarze
Nachthimmel begann sich im Osten aufzuhellen.
Sie ging in die Küche. Im Weinregal lag eine Flasche Rotwein, eine
richtig gute, ein Geschenk. Liam hatte sie für eine besondere Gelegenheit
aufgehoben. Sie nahm sie. Vielleicht konnte sie mit Alkohol ihre Gefühle
betäuben.
Zurück auf der Terrasse, verfluchte sie Liam und die Cordays,
während sie versuchte, die Flasche zu entkorken, wobei der Korken entzweibrach
und der größere Teil im Flaschenhals stecken blieb. Frustriert fing Lily an zu
schluchzen.
»Warum ist er denn heute Nacht nicht nach Hause gekommen?!?«, schrie
sie in die Nacht hinaus. »Ja, klar hat Elizabeth Corday ihm für heute Nacht ein
Bett angeboten. Höchstwahrscheinlich ihr eigenes!« Vor lauter Wut und
Enttäuschung schmetterte sie die Flasche gegen die Felswand, wo sie zerbarst.
Der Wein rann daran hinab wie Blut.
Wieder weckte sie das Telefon.
Es war halb acht. Lily hatte einen staubtrockenen Mund und einen
üblen Brummschädel. Zitternd streckte sie die Hand nach dem Glas Wasser auf
ihrem Nachttisch aus und leerte es, bevor sie abnahm.
Es war Liam. Er klang sehr besorgt.
»Lily? Ich hab es ewig klingeln lassen, was ist los?«
»Ich war unter der Dusche.« Sie wusste gar nicht recht, wieso sie
ihn anlog. Vielleicht wollte sie nicht zugeben, dass sie einen Kater hatte?
Denn wenn das zur Sprache käme, würde er sofort nachfragen, wieso sie so viel
getrunken hatte. Bei Tageslicht besehen, schämte sie sich für ihr
frühmorgendliches Saufgelage.
Liam wechselte von besorgtem zu versöhnlichem Tonfall.
»Das mit letzter Nacht tut mir leid.«
»Wirklich?« Ganz unwillkürlich klang sie wie ein schmollendes,
trotziges Kind. Sie hasste sich dafür – aber ihn noch viel mehr.
»Ja, natürlich …«
Lily konnte hören, dass er vom Auto aus anrief. Er war also bereits
auf dem Weg zur Arbeit, zu diesem gottverdammten Bauprojekt, das nunmehr ihrer
beider Leben bestimmte.
»Ich weiß, dass ich in letzter Zeit nicht viel zu Hause gewesen bin.
Aber gestern war bei dir doch alles in Ordnung, oder?«
»Ich hab’s überlebt.«
»Siehst du, und genau darum geht es doch im Prinzip im Leben: ums
Überleben. Und darum arbeite ich so viel, Lily.«
Sie seufzte.
»Um zu überleben?«, fragte sie spöttisch.
»Die Welt ist nun mal gnadenlos, Lily. Wenn ich nicht bereit bin,
die Zeit und die Arbeit zu investieren, wird Corday sich jemand anderen suchen
… Peter hat mir die Anteile an seiner Firma für einen Bruchteil dessen
überlassen, was sie tatsächlich wert sind. Ich stehe in seiner Schuld. Ich muss
dafür sorgen, dass dieses Projekt ein Erfolg für ihn wird … für uns.« Seine
Stimme klang deutlich sanfter, als er weitersprach. »Lily, du bedeutest mir
alles auf dieser Welt, das weißt du.«
»Tu ich das?«, platzte es aus ihr heraus. Der plötzliche Wechsel von
Vortrag zu Süßholz machte sie misstrauisch.
»Aber natürlich weißt du das … Hör zu, ich werde versuchen, heute
Abend etwas früher nach Hause zu kommen, um alles wiedergutzumachen. Dann haben
wir den ganzen Abend nur für uns. Keine Arbeit, keine Unterbrechungen.«
»Ist das dein Ernst?«
»Ja, natürlich! Ich vermisse dich nämlich.«
Die Aufrichtigkeit in seiner Stimme lockte sie letztlich aus der
Reserve.
»Ach, Liam, ich vermisse dich auch, so sehr! Ich finde es ganz
schrecklich, wie es zurzeit läuft, und dass ich dich kaum sehe …«
»Ich weiß, Peter hat mir gesagt, dass du dich etwas vernachlässigt
fühlst, und es tut mir leid. Es wird ja nicht ewig so weitergehen, Lily.«
»Versprochen?«
»Natürlich. Hör zu, heute haben ohnehin alle einen Kater, es wird
also niemand lange arbeiten wollen, und das erleichtert es mir, mich etwas
früher aus dem Staub zu machen. Ich versuche, um sechs zu Hause zu sein, okay?«
»Auch versprochen?«
»Ja, auch versprochen. Ach, und … Lily?«
»Ja?«
»Ich liebe dich.«
Wer hätte gedacht, dass ein paar freundliche Worte eine so
nachhaltige Wirkung haben könnten? Lilys wochenlange Lethargie war wie
weggeblasen. Sie wirbelte putzend durchs ganze Haus und fuhr – nachdem zwei von
Cordays Männern ihr Auto zurückgebracht hatten – zum Einkaufen nach Penzance.
Sie würde Liam ein phantastisches Abendessen
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