Das Rosenhaus
zurück.«
»Wir gehen auch gar nicht zurück.«
Er setzte sich in Richtung Dorf in Bewegung.
»Wo gehen wir hin?«
»Einen trinken.«
»Ich kann nicht … Ich meine, ganz gleich, was Liam mir an den Kopf
wirft, ich kann ihn doch nicht allein lassen.«
»Natürlich kannst du das.« Peter beschleunigte den Schritt. »Wenn er
seine Ruhe haben will, dann soll er verdammt noch mal seine Ruhe haben.«
»Aber wenn was passiert?«
»Dann passiert eben was«, gab er zurück. »Aber da er sich wie ein
schmollendes Kind in seinem Zimmer eingeschlossen hat, glaube ich kaum, dass so
wahnsinnig viel passieren kann.«
Vor dem Rusted Anchor hatte man Tische aufgestellt und Blumenkörbe
aufgehängt und damit offiziell die Sommersaison eingeläutet. Die Touristen
genehmigten sich hier draußen in der Sonne ein kleines Bier, während an der Bar
wie üblich nur Einheimische saßen.
Nach der Wärme und dem Sonnenschein kam Lily die Schankstube des
Rusted Anchor dunkel und kühl vor.
Peter führte sie zu einem kleinen Tisch in einer abgelegenen Ecke,
ging dann an den Tresen und kam wenige Minuten später mit einem Bier und dem
Gin Tonic, um den sie gebeten hatte, zurück.
»Ich wusste gar nicht, dass du Gin magst?«
»Ich auch nicht.« Sie trank einen Schluck von dem Drink, den Peter
ihr reichte.
Es war ein doppelter.
Lily fing unwillkürlich an zu husten, Peter entschuldigte sich,
schenkte etwas Tonic nach und bot ihr sein Taschentuch an.
Sie nahm es dankbar an, putzte sich die Nase und nippte – dieses Mal
etwas behutsamer – an ihrem Glas.
»Tut mir wirklich leid«, wiederholte Peter.
Sie schüttelte entschieden den Kopf.
»Nein, nein, wenn sich einer entschuldigen muss, dann ich.«
»Du brauchst dich für überhaupt nichts zu entschuldigen, Lily. Du
hast es wirklich nicht leicht im Moment, dafür habe ich vollstes Verständnis.«
Er streckte den Arm quer über den Tisch aus und nahm ihre Hand.
Peter war so unendlich verständnisvoll, dass sie am liebsten schon
wieder geweint hätte.
Peter zog ein großes, weißes, sauberes Taschentuch hervor, reichte
es ihr und lächelte milde, als Lily sofort ihr Gesicht darin vergrub.
»Es ist alles meine Schuld …«, schluchzte sie durch die Baumwolle.
»Jetzt hör aber auf!«
»Nein, wirklich. Oder zumindest fühlt es sich so an … Er konnte sich
gar nicht daran erinnern, dass wir uns an dem Morgen gestritten hatten.
Vielleicht war er irgendwie abgelenkt, weil er immer wieder an unseren Streit
denken musste, vielleicht war er deswegen unkonzentriert und …«
Peter schüttelte entsetzt den Kopf.
»Nein, Lily, nein«, hielt er dagegen. Er musste sie irgendwie
beruhigen. »Zieh dir den Schuh bitte nicht an, Lily. Das war nicht deine
Schuld. Das Gerüst war nicht vorschriftsgemäß aufgebaut worden, das hat
überhaupt nichts mit dir zu tun, hörst du? Es sei denn, du arbeitest heimlich
für Corday …?«
Er zwinkerte ihr zu, in der Hoffnung, ihr ein Lächeln zu entlocken,
aber sie schüttelte nur den Kopf und vergrub das Gesicht wieder in seinem
Taschentuch.
»Aber es geht doch nicht nur darum, Peter, es geht auch um all das,
was vor dem Unfall passiert ist. Und jetzt … Na ja, von seinen Verletzungen und
so weiter mal ganz abgesehen, steckt er jetzt vierundzwanzig Stunden am Tag mit
mir in diesem Haus fest, da ist es doch klar, dass er langsam durchdreht. Wenn
ich ganz ehrlich bin, dann hatte ich gehofft, wir könnten neben seinen
körperlichen Verletzungen auch unsere seelischen heilen. Ich weiß, es muss eine
Strafe sein, auf diese Weise gezwungenermaßen Zeit mit jemandem zu verbringen,
aber … o Gott, ich muss zugeben, dass ich mir genau das gewünscht habe, während
er im Krankenhaus lag.«
»Das ist doch vollkommen verständlich.« Peter legte wieder
beruhigend die Hand auf ihre.
»Aber genau das ist eben nicht eingetreten. Ganz im Gegenteil. Er
tut alles dafür, die Kluft zwischen uns weiter zu vergrößern.«
»Du darfst das nicht persönlich nehmen, Lily.«
»Wie soll ich das denn bitte nicht persönlich nehmen, Peter? Ich bin
seine Frau!«
»Ja, und du als seine Frau kennst ihn besser als jeder andere, du
kennst ihn in- und auswendig, Lily, und du weißt, wie stolz er ist.«
»Nicht einmal jetzt, wo er mich braucht, will er mich um sich
haben.«
»Das ist doch Unsinn, Lily. Er reagiert auf die Situation, nicht auf
dich.«
»Meinst du wirklich?« Sie lehnte sich über den Tisch und sprach
flüsternd weiter, weil sie sich so schämte. »Es ist
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