Das Rosenhaus
nicht gut gelaufen zwischen
uns … vor dem Unfall … wir haben uns kaum noch gesehen …«
»Er hat rund um die Uhr gearbeitet, Lily, das ist alles. Und ich
auch …«
»Ich hatte nicht das Gefühl, dass das alles war.«
»Lily, Liam wäre ohne dich aufgeschmissen. Er will nicht ohne dich
sein.«
»Und warum will er dann nicht, dass ich mich um ihn kümmere?«
»Weil er daran gewöhnt ist, sich um dich zu kümmern. Liam ist immer jemand gewesen, zu dem die Menschen aufschauten. Und
jetzt ist er selbst für die banalsten Dinge auf die Hilfe anderer angewiesen.
Das ist extrem schwierig für ihn, das musst du verstehen, Lily.«
»Ich habe mich wirklich bemüht, ihn zu verstehen, Peter. Wirklich.«
Sie sagte das nicht nur, um ihn zu überzeugen. Mit geröteten Augen sah sie ihn
an. Sie brauchte Unterstützung. »Ich habe doch mein Bestes getan, oder?«
Peter schüttelte langsam den Kopf.
»Arme Lily. Alle haben sich die ganze Zeit nur auf Liam
konzentriert. Kein Mensch hat daran gedacht, wie schwierig die ganze Situation
für dich sein muss. Du brauchst Hilfe.«
Er hob die Hände, um ihren Widerspruch abzuwehren.
»Liam darf nicht vergessen, dass du seine Frau bist – und nicht
irgendeine Pflegekraft, die ihm den Hintern abwischt und ihm die Tabletten
reicht.«
Sie wollte lachen, brachte aber nur ein Schluchzen hervor.
»Er macht mich wahnsinnig. Wenn ich ihm Hilfe anbiete, beschwert er
sich, ich würde ihn wie ein kleines Kind behandeln, wenn nicht, ist er mir
angeblich egal. Ganz gleich, was ich mache, es ist sowieso falsch.«
»Dann hör auf damit.«
»Selbst heute im Auto. Entweder fahre ich ihm zu schnell oder zu
langsam.«
»Er ist unendlich frustriert. Er war noch nie auf andere Menschen
angewiesen, Lily. Noch nie. Auch früher nicht. Ich habe nie verstanden, wie er
nach dem Tod seiner Eltern so gut allein zurechtkam. Ich meine, schließlich war
er erst achtzehn.«
»Er hat immer alles unter Kontrolle gehabt«, nickte sie.
»Und jetzt hat er gar nichts mehr unter Kontrolle. Macht es jetzt
klick?«
»Natürlich. Ich weiß nur nicht, was ich jetzt tun soll … und dann …
na ja … dann hat er gesehen, was ich auf seinen Plan gekritzelt habe.«
Peter sah sie fragend an.
»Wovon redest du?«
Schuldbewusst sah sie zu ihm auf, sagte aber nichts.
»Was für einen Plan?«, wollte er wissen. »Lily? Was hast du
gemacht?«
Betreten erzählte sie ihm, was sie getan hatte.
»Ich habe ihm gesagt, dass es eine Überreaktion im Eifer des
Gefechts war und dass ich es nicht so gemeint habe, aber er glaubt mir einfach
nicht«, schloss sie ihre Beichte ab.
Peter nickte.
»Und wie lange läuft das jetzt schon so?«
»Seit er entlassen wurde. Ich habe es nicht so gemeint, ich war nur
so sauer, dass ich kindisch geworden bin …«
»Du warst aufgebracht, das ist doch völlig verständlich …«
»Findest du?«
»Natürlich.« Mit seinem breiten Daumen wischte er ihr eine Träne aus
dem Gesicht. »Ich weiß, dass es dir nicht leicht gefallen ist, hierherzuziehen,
Lily. Und ich kann dir sagen, ich habe ein ziemlich schlechtes Gewissen, weil
ich euch schließlich von London hierhergeschleift habe … Liam hat so viel um
die Ohren gehabt seitdem, aber du … Ich weiß, wie einsam man sich hier fühlen
kann, wenn man niemanden kennt und die Leute, die man kennt, überhaupt keine
Zeit für einen haben … Mach dir keine Sorgen, Lily, ich werde es Liam erklären.
Ich rede mit ihm.«
»Meinst du denn, er wird auf dich hören?«
»Das wird er wohl müssen … So kann es jedenfalls nicht weitergehen.«
»Vielleicht ist das genau der Punkt? Vielleicht will er gar nicht,
dass es weitergeht, vielleicht wäre es ihm lieber gewesen, wenn ich ihn
wirklich verlassen hätte.«
»So ein Quatsch, Lily. Er braucht dich, und er liebt dich.«
»Manchmal habe ich eher das Gefühl, dass er mich hasst.«
»Tut er aber nicht. Er hasst sich im Moment nur selbst. Wenn er
allerdings so weitermacht, dann wirst du ihn irgendwann auch hassen, und das
bereitet mir viel größere Sorgen. Du schaffst das nicht alleine, Lily.«
»Ach, wird schon gehen. Muss ja.«
»Nein, muss es nicht. Und ich werde es nicht zulassen, dass du dich
kaputt machst. Du brauchst Hilfe.«
»Bekomme ich doch. Im Moment fahre ich ihn zweimal die Woche zur
Krankengymnastik. Und der Ergotherapeut kommt jeden Freitag vorbei.«
»Ja, und das reicht ganz offensichtlich nicht. Also, was machen
wir?«
Welche Wohltat, ihn »wir« sagen zu hören!
Peter
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