Das Rosenhaus
fest in die Augen. »In guten wie in schlechten Zeiten.
Ich liebe dich, und ich werde nirgendwo hingehen, ganz gleich, was du sagst.
Okay?«
Er schwieg.
»Okay?«, wiederholte sie.
Lily wartete, nahm ihn in den Arm, beteuerte flüsternd und
eindringlich ihre Liebe zu ihm, ihre Aufrichtigkeit, ihre Loyalität, bis er
schließlich nickte, als glaube er ihr.
Er beklagte sich nicht, als sie ihn in die Küche schob, und bemühte
sich, etwas zu essen, doch die Bissen blieben ihm fast im Hals stecken.
Daran konnten auch ihre Liebes- und Treueschwüre nichts ändern.
In ihm war etwas zerbrochen, etwas viel Kostbareres als eine Vase.
11
L ily hatte
Liam zu seiner ersten ambulanten Röntgenuntersuchung seit seiner Entlassung aus dem Krankenhaus vor knapp
zwei Wochen gebracht.
Zwei Wochen, die wenig mit der von Lily ersehnten innigen erneuten
Annäherung zu tun gehabt hatten und eher eine Zerreißprobe für sie beide
gewesen waren.
Immer wieder hatte sie Liam versichert, dass sie ihren Platz in
dieser Welt ausschließlich an seiner Seite sah, und Liam schien ihr das auch
abzunehmen. Dennoch war er völlig verändert.
Erst hatte sie sich eingeredet, das läge an allem, was er
durchgemacht hatte, an der neuen Situation zu Hause, der neuen Rollenverteilung,
seiner Abhängigkeit von ihr, die ihm mehr zu schaffen machte als ihr. Sie war
nicht so naiv, zu glauben, dass all das spurlos an ihm vorübergegangen war. Und
doch wusste sie, dass seine Veränderung weit weniger dramatisch ausgefallen
wäre, wenn er nicht gesehen hätte, was sie auf seinen Plan geschrieben hatte.
Immer wieder verfluchte sie sich selbst für ihre eigene Blödheit.
Kindisch war sie gewesen. Albern. Sie hatte nicht nur eine Blaupause ruiniert.
Die Untersuchung war reibungslos verlaufen, und solange sie sich im
Krankenhaus aufgehalten hatten, war Liam wieder ganz der Alte gewesen –
charmant, bescheiden, dankbar.
Doch kaum waren sie draußen, verwandelte er sich wieder in das
ungehobelte, überempfindliche, reizbare, patzige Wesen, das er die letzten
zwölf Tage zu Hause gewesen war. Und damit wurde ihr schmerzhaft bewusst, dass
seine negative Grundstimmung nur am Rande von seinen körperlichen
Schwierigkeiten herrührte.
Jetzt waren sie auf dem Nachhauseweg, und er starrte nur wortlos aus
dem Fenster. Auf seinem Gesicht zeichnete sich jene düstere Miene ab, die seit
seinem zweiten Tag zu Hause seine ständige Begleiterin war.
Lily schaltete einen Gang hoch und gab etwas mehr Gas. Sie wollte
möglichst schnell nach Hause kommen, raus aus dieser Enge. Zu Hause konnte er
sich wenigstens in ein anderes Zimmer verkrümeln. Sie würde den Anblick einer
geschlossenen Tür heute besser ertragen können als den Anblick seines
verschlossenen Gesichtes.
Als sie Gas gab, brach er plötzlich das Schweigen.
»Würdest du bitte etwas langsamer fahren, Lily? Du machst mich ganz
nervös.«
Sie presste die Lippen aufeinander und nahm den Fuß vom Gas.
»Wieso fährst du eigentlich immer zu schnell?«, maulte Liam, als der
Wagen an Geschwindigkeit verlor.
»Tu ich das? War mir gar nicht bewusst.«
»Ach, hör schon auf, natürlich weißt du das. Du fährst immer zu
schnell.«
Lily war fest entschlossen, nicht mit ihm zu streiten. Stattdessen
konzentrierte sie sich auf die Geschwindigkeitsbegrenzung.
Zehn Minuten später meldete er sich wieder zu Wort.
»Wieso fährst du denn jetzt so langsam?«
»Du hattest mich gebeten, langsamer zu fahren.«
»Aber das heißt doch nicht, dass du wie ein alter Mann mit
Krückstock fahren musst.«
Sie seufzte.
»Wie schnell soll ich denn deiner Meinung nach bitte fahren?«
Auch er machte einen Stoßseufzer und wandte den Blick zum
Seitenfenster hinaus.
»Wie wär’s, wenn du dich an das Tempolimit hältst?«
»Ich dachte, das hätte ich getan.«
»Falsch gedacht.«
Lily hatte keine Kraft, sich mit ihm zu streiten.
Es hatte auch gar keinen Sinn, sie würde ohnehin den Kürzeren
ziehen. Egal, was sie zurzeit sagte oder tat, es war sowieso verkehrt.
Sie seufzte.
»Bitte, Liam. Ich habe es nicht so gemeint.«
Seine Miene verfinsterte sich nur noch mehr.
»Vielleicht würde ich es tatsächlich eines Tages vergessen, wenn du
mich nicht ständig wieder daran erinnern würdest.«
»Ich möchte das nur ein für alle Mal geklärt haben.«
»Schon okay. Ich werd’s überleben.«
Ich werd’s überleben.
Als handelte es sich um einen seiner gebrochenen Knochen.
Lily gab auf.
Beide verfielen wieder in jenes
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