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Das Rosenhaus

Das Rosenhaus

Titel: Das Rosenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Harvey
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entschied sich dann aber, vorsichtig
anzuklopfen. Als sie keine Antwort bekam, öffnete sie die Tür.
    Er saß im Rollstuhl am Erkerfenster und schaute hinaus in die
Dunkelheit.
    »Alles in Ordnung?« Sie wusste selbst nicht, warum sie flüsterte.
    Überrascht drehte er sich zu ihr um.
    Sie hatte sich nicht mit ihm in diesem Raum aufgehalten, seit sie
sich an seinem zweiten Tag zu Hause so fürchterlich gestritten hatten. Seit sie
sich geweigert hatte, ihn zu verlassen, und eine weitere Nacht in dem Sessel
neben seinem Bett verbrachte. Am nächsten Abend hatte er sie gebeten, oben zu
schlafen. Und behauptet, er könne besser schlafen, wenn er wüsste, dass sie die
Nacht komfortabel in ihrem Bett verbrachte.
    Sie wussten beide, dass er sie verbannt hatte – sie hatte ihn
verletzt, und er wollte sie verletzen. Aus dieser Verbannung war der
Normalzustand geworden.
    Jeder schlief für sich.
    Zumindest versuchten sie es.
    »Ich konnte nicht schlafen«, erklärte Lily ihr Auftauchen
wahrheitsgemäß.
    »Ich auch nicht.«
    »Brauchst du irgendetwas?«
    Wortlos sah er sie an. Sie fuhr fort: »Ich wollte mir einen Tee
machen – möchtest du auch einen?«
    Er nickte.
    Sie ging in die Küche und wollte gerade den Wasserkocher
einschalten, als sie die halbvolle Whiskyflasche sah und es sich anders
überlegte. Von einem gewissen Übermut geritten, holte sie zwei Gläser aus dem
Schrank und schenkte jeweils zwei Finger breit von dem Whisky ein. Sie brachte
die Gläser und die Flasche in Liams Zimmer und setzte sich ihm gegenüber auf
die breite Fensterbank. Die Flasche stellte sie neben sich ab, eins der Gläser
reichte sie ihrem Mann.
    »Was ist das?«
    »Ein Schlummertrunk.«
    »Willst du mich umbringen?«
    »Vielleicht.« Sie lächelte vorsichtig, und zu ihrer Erleichterung
erwiderte er ihr Lächeln und nahm ihr das Glas aus der zitternden Hand.
    »Cheers.«
    Es kam ihr vor, als müsse er sich zwingen, das Zeug zu trinken, aber
als er das Glas erst angesetzt hatte, nahm er einen großen Schluck und lächelte
zufrieden.
    »Kaum zu glauben, wie verdammt gut das schmeckt.«
    Sie nippte an ihrem Glas und verzog das Gesicht.
    »Ich würde genau das Gegenteil sagen.«
    »Ist eigentlich gar nicht dein Ding, oder?«
    Sie lachten.
    »Und warum dann das hier?«
    »Ich dachte, ein kleiner Drink könnte nicht schaden.«
    »Ich werde danach garantiert besser schlafen können, von daher eine
gute Entscheidung.«
    »Schläfst du generell schlecht?« Kaum hatte sie die Frage
ausgesprochen, befiel sie auch schon ein schlechtes Gewissen – das müsste sie
doch wissen!
    Er nickte.
    »Wenn ich doch nur etwas für dich tun könnte.«
    »Du tust schon genug.«
    »Ja?«
    Er nickte, biss sich auf die Unterlippe und sah sie an.
    »Aber ich mache immer alles falsch, stimmt’s?«
    Er schüttelte den Kopf.
    »›Wie geht es dir?‹ ist eine ziemlich blöde Frage, oder?«
    Mit leicht vorwurfsvollem Blick, aber gleichzeitig lächelnd sah er
sie an.
    »Und darum stellst du sie nie?«
    Sie erwiderte sein Lächeln.
    »Darum, und weil du mir das letzte Mal, als ich sie gestellt habe,
fast den Kopf abgerissen hättest.«
    »Die Schmerzen sind manchmal kaum auszuhalten.« Das sollte eine
Entschuldigung sein.
    »So schlimm?«
    »Manchmal schon, ja.«
    »Und jetzt?«
    »Das hier hilft.« Er hob das Glas. »Und ich habe das Gefühl, dass es
langsam besser wird.« Jetzt lächelte er aus gespielter Tapferkeit. »Wie heißt
es doch so schön? Die Zeit heilt alle Wunden.«
    »Hartnäckiges Klischee.«
    »Ich weiß, aber ich hoffe, dass etwas Wahres dran ist.«
    Er sah in diesem Moment so traurig und verletzlich aus, dass sie am
liebsten seine Hände genommen und ihn gefragt hätte, ob es mit ihnen auch
besser würde, ob auch ihre Beziehung heilen würde … Ihre Lippen bewegten sich,
aber sie bekam keinen Ton heraus, und obwohl sie ihn so gerne berühren wollte,
konnte sie ihm nicht die Hand reichen, es war, als seien ihre Arme festgeklebt.
    Also sagte sie nur: »Es ist schon spät.«
    Er schwieg zunächst, dann sagte er: »Und wir haben beide morgen viel
zu tun.«
    Er schlug einen sarkastischen Ton an, den sie aber entweder nicht
bemerken wollte oder tatsächlich nicht bemerkte.
    »Soll ich dir ins Bett helfen?«
    »Geht schon, danke.«
    »Na dann … Gute Nacht«, sagte sie leise, wie zu einer neuen
Zufallsbekanntschaft, doch dann beugte sie sich zu ihm, als wolle sie ihn
küssen.
    Er wusste selbst nicht, warum, aber er wandte den Kopf ab und wieder
dem Fenster zu

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