Das Rosenhaus
klug
gewesen war, denn als sie Samstagmorgen in einem dünnen, halbtransparenten
Morgenmantel die Treppe herunterkam, spazierte er gerade zur Tür herein.
»Es ist Samstag, Dylan«, rief sie überrascht aus, aber er grinste
sie nur an und sagte: »Ich weiß.« Dann machte er die Tür hinter sich zu und zog
sich die Schuhe aus.
»Was machst du dann hier?«
»Er besucht mich.«
Liam tauchte in der Tür zu seinem Zimmer auf.
»Gut, DT . Wenn du schon so früh hier bist, kannst du mir auch
gleich mal helfen.«
»Wobei?«
»Ich kann mich einfach nicht entscheiden, ob ich die komplett
ausgebeulte Hose anziehen soll oder vielleicht doch lieber die komplett
ausgebeulte Hose? Was meinst du?«
Dylan folgte Liam in sein Zimmer.
»Vielleicht solltest du dazu übergehen, Sarongs zu tragen, die sind
einfacher an- und auszuziehen.«
»Also hör mal, ich bin doch kein Mädchen!«
»Führst dich aber manchmal schon so auf.«
Die Tür schloss sich hinter ihnen.
Lily gab ihren Plan, Kaffee zu kochen, vorerst auf und ging wieder
nach oben, um sich etwas Passenderes anzuziehen. Schließlich war außer ihrem Mann jetzt noch ein anderer im Haus.
Als sie in Jeans und Sweatshirt wieder herunterkam, half Dylan Liam
in seine Schuhe.
»Es reicht dir also nicht, ihn von montags bis freitags aushalten zu
müssen – jetzt rückst du sogar zu Wochenendbesuchen an?«, witzelte sie. »Was
habt ihr vor?«
»Wir gehen raus«, brummte Liam, während er damit kämpfte, den
Jackenärmel über die Schiene an seinem Handgelenk zu ziehen.
Lily unterdrückte den Drang, ihm helfen zu wollen, und hakte
stattdessen so unbekümmert wie möglich nach:
»Okay. Toll. Und wo wollt ihr hin?«
Liam stöhnte frustriert und gab auf. Er streckte Dylan den Arm
entgegen, damit dieser den Lederärmel über die unnachgiebige graue Schiene
schieben konnte.
»Dylan will mich überraschen. Frag ihn.«
»Dylan?«
»St. Austell.«
»Und da …?«
»Bleiben wir den ganzen Tag«, antwortete Liam.
Er wusste genau, dass sie das nicht gemeint hatte, aber er hatte
ganz offenkundig Spaß daran, sie zu ärgern.
Dylan lächelte sie reuig an.
»Wir werden uns eine bekannte Touristenattraktion ansehen, die ich
jetzt aber nicht nennen möchte, da es sonst keine Überraschung mehr wäre. Ich
dachte nur, es würde ihm guttun, mal rauszukommen und was ganz anderes zu
sehen.«
»Da hast du wie immer recht.« Wenn sie ganz ehrlich war, hatte es
ihr nach der gestrigen Nacht vor einem ganzen Wochenende alleine mit Liam
gegraut. »Es tut ihm gar nicht gut, den lieben langen Tag immer nur in der Bude
zu hocken.«
»Es tut ihm gar nicht gut …«, wiederholte Liam verächtlich. »Du tust
gerade so, als wenn ich gar nicht hier wäre. Ich mag mich nicht auf deiner
Augenhöhe befinden, Lily, aber ich kann trotzdem immer noch an einem Gespräch
teilnehmen.«
Lily sah ihn an und verdrehte schuldbewusst die Augen. Liam sah aber
nur Enttäuschung in ihrem Gesicht.
»Tut mir leid, natürlich kannst du das, ich wollte ja auch nicht …«,
entschuldigte sie sich schnell, doch er schnitt ihr das Wort ab.
»Hör auf, von oben herab mit mir zu reden, Lily.«
Dylan schüttelte entsetzt den Kopf.
»Wenn sie von unten zu dir hinaufreden sollte, müsste sie sich wohl
auf den Boden legen, Kumpel«, mischte er sich sarkastisch ein.
Lily lächelte ihm dankbar zu und wünschte, sie würde sich öfter mal
trauen, mehr wie er zu sein.
Wenn Liam Dylan gegenüber ungerecht oder ausfallend wurde, zahlte
Dylan ihm das mit gleicher Münze heim. Und genau das verschaffte ihm Liams
Respekt. Dylan gelang es auf wundersame Art, Liam klarzumachen, dass er sich
danebenbenahm, ohne genau das zu sagen. Die beiden waren Freunde geworden, aber
Dylan arbeitete auch immer noch für Liam. Sie hatten ihre ganz eigenen
Spielregeln aufgestellt, und wie es aussah, klappte das hervorragend.
»So, du mürrischer alter Sack, dann wollen wir mal los, bevor ich es
mir anders überlege und dir Hausarrest verpasse. Und glaub bloß nicht, dass ich
dich schieben werde, das kannst du selber machen.«
»Mit einer Hand?«, protestierte Liam, der sofort wieder guter Laune
war. »Dann fahre ich doch ständig im Kreis.«
»Hm, wo du recht hast, hast du recht.« Dylan legte die Hände auf die
Schiebegriffe des Rollstuhls. »Und außerdem musst du die gesunde Hand schonen
…«
»Wieso? Gehen wir etwa zur Jahrestagung obsessiver Onanierer?«
»So was in der Art, ja. Passt doch wunderbar, schließlich bist du im
Umkreis
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