Das Rosenhaus
und letzte Bier, das der
alte Alan Tremaine je in dieser Schänke ausgegeben hat. Und der Geizkragen ist
so alt, dass man in seiner Geldbörse noch Schillinge von vor dem Krieg finden
kann«, konterte der alte Mann.
Liam betrachtete das Glas vor sich auf dem Tisch.
Lily wollte gerade etwas sagen, doch Dylan schritt bereits ein,
indem er das Glas von Liam wegnahm und es dem alten Mann auf den Tisch stellte.
»Vielen Dank, aber das verträgt sich nicht mit den Medikamenten, die
er zurzeit einnimmt. Trinken Sie es besser selbst, und geben Sie ihm später mal
einen aus.«
»Ach. Ja. Gut.« Der Alte verschlang das Glas schon mit den Augen und
nickte. »Könntest recht haben, Junge. Könntest recht haben. Ich schulde Ihnen
eins«, versicherte er dann Liam. »Wenn Sie wieder ganz auf dem Damm sind. Wenn
Sie aus dem Teil da raus sind. Wenn Sie aufstehen und sich Ihren Drink selbst
an der Theke abholen können.«
»Wenn ich auf meinen eigenen zwei Beinen und ohne dieses Monstrum« –
er schlug mit der gesunden Hand gegen das eine Rad des Rollstuhls – »hier
hereinspaziere, gehen einen Abend lang alle Getränke auf mich.«
»Wir werden Sie dran erinnern.« Der Mann hob das Glas und prostete
ihm zu. »Wir werden Sie dran erinnern.«
Lily, Liam und Dylan blieben dann nicht mehr lange.
Zwar waren alle ungewöhnlich freundlich und herzlich, aber trotzdem
berief Liam sich nach einer dreiviertel Stunde darauf, müde zu sein, und wollte
nach Hause.
Sein Abgang gestaltete sich genauso umständlich wie sein Auftritt,
weil seine neuen Freunde sich alle von ihm verabschieden und ihn an sein Versprechen
erinnern wollten.
Nach Hause zurückgekehrt, fanden sie zwei Nachrichten auf
dem Anrufbeantworter vor. Eine von Peter und eine von der Verwaltung des
Krankenhauses, die einen Termin mit dem Psychologen in der folgenden Woche
bestätigte. Als Liam das hörte, wurde er nur noch stiller. Es war zwar erst
halb acht, aber Liam sagte, er sei sehr müde und habe überhaupt keinen Hunger.
Er entschuldigte sich und zog sich in sein Zimmer zurück.
Auch Lily verging schlagartig der Appetit. Sie gab Dylan den vorbereiteten
Eintopf mit, dann geisterte sie ziellos durchs Haus, bis sie sich in dem großen
Raum unter dem Dach ans Fenster setzte. Das Dachgeschoss hatte eine
Gästewohnung werden sollen, mit eigenem Bad und Wohnzimmer. Eine Gästewohnung,
die völlig ungenutzt geblieben wäre. Ein leerer Raum, wie eine weiße Leinwand.
Ohne jede Bestimmung. Mal abgesehen von den Kartons, die immer noch nicht alle
ausgepackt waren.
Bis jetzt hatten sie noch kein Gästezimmer gebraucht. Seit sie
hierhergezogen waren, hatte noch nie jemand außer ihnen in Rose Cottage
übernachtet. Die angekündigten Besuche ihrer Mutter und ihrer Freundin Ruth
waren bisher nicht zustande gekommen. Wahrscheinlich war das ihre eigene
Schuld. Lily hatte andere Dinge im Kopf gehabt. Natürlich hatte Lily sie nach
Liams Unfall angerufen, als sie wusste, dass er außer Lebensgefahr war, aber
sie hatte ihr nur auf den Anrufbeantworter gesprochen. Sie hatte absichtlich zu
einem Zeitpunkt angerufen, zu dem Ruth kaum zu Hause anzutreffen war, und ihre
Nachricht möglichst sachlich und unspektakulär formuliert.
Und natürlich hatte Ruth zurückgerufen, aber Lily wollte ihre Fragen
nicht hören. Fragen, auf die sie zu dem Zeitpunkt keine Antwort wusste.
Da Ruth sie nicht erreichen konnte, hinterließ auch sie eine lange
Nachricht, in der sie ihre Hilfe anbot, schickte Liam einen Obstkorb und Lily
Blumen. Lily hatte sie noch nicht zurückgerufen und ihr auch nicht für die
Aufmerksamkeit gedankt. Und je länger sie es aufschob, desto schwerer fiel es
ihr.
An einem Abend wie diesem, an dem sie einfach nicht zur Ruhe kam,
trieb sie schließlich auch das noch um.
Irgendwann beschloss sie, ebenfalls früh ins Bett zu gehen. Sie
wollte noch lesen, doch ihre Augen waren zu müde. Sie legte das Buch zur Seite
und versuchte zu schlafen, aber ihr Kopf war glockenwach und ließ es nicht zu.
Gegen drei Uhr morgens stand sie schließlich auf und ging nach
unten, um Ruth einen Brief zu schreiben. Sie wollte sich für alles bedanken und
sich dafür entschuldigen, dass sie sich so zurückgezogen hatte.
Auf dem Weg zur Küche fiel ihr auf, dass unter Liams Tür Licht
hindurchschien.
Lily blieb stehen.
Vielleicht war er bei eingeschaltetem Licht eingeschlafen.
Vielleicht brauchte er irgendetwas und brachte es nicht über sich,
sie darum zu bitten.
Lily war hin- und hergerissen,
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