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Das Rosenhaus

Das Rosenhaus

Titel: Das Rosenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Harvey
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Dylan dafür, dass er in seinem jungen Alter schon einen
so guten Instinkt dafür hatte, was für Liam das Richtige war, während sie
selbst nach dreizehn Jahren Ehe mit diesem Mann offenbar immer das Falsche tat.
Sie hätte so nah wie möglich am Pub geparkt und jede ihr angebotene Hilfe
dankbar angenommen.
    Die wenigen Male, die sie Liam allein mit dem Auto irgendwohin
gefahren hatte, waren immer eine Tortur gewesen. Dagegen bewältigte Dylan das
Hinein- und Heraushelfen mit einer unglaublichen Leichtigkeit. Lily trat einen
Schritt beiseite und hoffte, den Balanceakt zwischen »nicht im Weg herumstehen«
und »Hilfsbereitschaft signalisieren« hinzubekommen.
    Schwierigkeiten gab es erst, als die vorderen Räder von Liams
Rollstuhl in der Metallschwelle der Pub-Eingangstür stecken blieben. Zwei an
der Bar stehende Männer stellten ihre Gläser ab und eilten sofort zu Hilfe. Aus
dem unauffälligen Betreten des Lokals wurde im Handumdrehen ein Spektakel, und
sämtliche Gäste sahen zu, wie Liam mit seinem Rollstuhl nicht nur über die
Schwelle gehoben, sondern gleich auch zu einem freien Tisch am Fenster getragen
wurde. Entsetzt sah Lily dabei zu, doch Liam wirkte gelassen und dankte den
Männern für ihre Hilfe.
    »So. Jetzt bin ich ja endlich hier. Und werde mir auch ein Glas
gönnen. Keine Angst«, fügte er angesichts ihrer besorgten Miene hinzu, »ich
meine natürlich ein Glas Orangensaft. Aber sorg bitte dafür, dass die beiden
Gewichtheber jeweils ein Bier bekommen, ja?«
    Sie tat, was er ihr aufgetragen hatte, und die beiden an die Bar
zurückgekehrten Männer prosteten Liam dankend zu.
    »Cheers.«
    Liam antwortete mit einem Nicken.
    »Na, was ist denn mit Ihnen passiert?«, fragte der Ältere der
beiden, ein schmaler Mann um die fünfzig mit grauen Haaren und eckigem Gesicht.
    Nach dem Anflug einer Pause antwortete Liam.
    »Bin zwanzig Meter gestürzt und habe mich falsch abgerollt.«
    »Sind wohl von den Klippen gesprungen, was?«
    Es wurde gelacht, und Liam lachte mit.
    »So was in der Art, ja.«
    Die beiden Männer sahen einander an, dann zwinkerte der Jüngere Liam
freundlich zu.
    »Wenn ich dir einen Rat geben darf, Junge … nächstes Mal warte
besser, bis Flut ist.«
    Am Nebentisch saß ein alter Mann und spitzte angestrengt die Ohren.
Seine Haut war runzlig und nussbraun, und seine Glatze kompensierte er mit
einem langen grauen Bart. Seine drahtige Gestalt beugte sich über einen
knorrigen Stock aus Walnussholz. Er hatte Liam angestarrt, seit dessen
Rollstuhl an der Türschwelle hängen geblieben war.
    »Dann sind Sie wohl der junge Mann, der vom Kunstzentrum
runtergefallen ist«, meldete er sich mit lauter Reibeisenstimme zu Wort. »Hab
ich in der Zeitung gelesen.«
    »Oha, ich bin ja richtig berühmt.« Liam lächelte, aber sein Ton war
leicht angestrengt, was jedoch niemand außer Lily zu bemerken schien.
    »Wohl eher berüchtigt. Schlechtes Omen, wenn Sie mich fragen. Hab’s
neulich noch zu meiner Alten gesagt, das wird nichts Gutes werden. Was soll
denn so ein Bauwerk hier in unserer Gegend? Von uns hier hat das keiner haben
wollen. Aber dieser Corday hält sich ja für besonders schlau, dieser Fatzke!«
    Der Mann hinter dem Tresen lehnte sich über die Zapfhähne und sagte:
    »Na, ob das so stimmt, Thomas Trewithen? Deine Frau meint doch, das
Projekt ist gut für die Leute hier.«
    »Also, ihm hier hat’s ja wohl kaum was Gutes gebracht, oder?«,
lachte der Mann heiser und zeigte mit dem Stock auf Liam. »Und das Zeug, was
Sie da trinken, tut Ihnen auch nicht gut. Orangensaft? Was soll denn der
Quatsch? Was Sie brauchen, ist ein ordentliches Glas Starkbier. Ich werde
demnächst sechsundneunzig, und ich habe seit meinem vierzehnten Geburtstag jeden
Tag zwei Gläser Stout getrunken. Bin fit wie ein wilder Stier.« Er fuchtelte
mit dem Stock in Richtung Bar.
    »Hey, Alan! Ein Stout für den jungen Mann hier. Geht auf mich.«
    »Du hast noch ’ne Rechnung offen, Thomas.«
    Der alte Mann grinste, dass seine Zahnlücken sichtbar wurden.
    »Na, dann muss es wohl aufs Haus gehen, mein Lieber.«
    Der Wirt schüttelte den Kopf, lächelte aber, zapfte ein Starkbier
und reichte es einem der Männer, die Liam hereingeholfen hatten.
    »Davon wachsen Ihnen Haare auf der Brust, Kumpel«, krächzte der alte
Mann zufrieden, als das Glas vor Liam abgestellt wurde.
    »Zu dumm, dass es auf deinem Kopf nicht geholfen hat, alter Junge.«
Der Wirt zwinkerte Lily zu.
    »Genießen Sie es, Kumpel. Das ist das erste

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