Das Rosenhaus
Küstenweg hinunter in den Ort. Lily war sehr
still, Peter hingegen plapperte wie üblich über Gott und die Welt.
Ein paar in durchsichtige Billig-Regenmäntel gehüllte Touristen
standen an der Hauptstraße vor einem kleinen Café und studierten sehnsüchtig
die Karte, die Tee und heiße Schokolade verhieß.
Das Café war geschlossen.
»Das Port Hole ist geöffnet, wenn Sie gerne eine Tasse Tee hätten«,
informierte Lily sie unaufgefordert im Vorübergehen.
Dankbar lächelten sie sie an.
»Da, sehen Sie das Schild?« Lily zeigte auf einen Aufsteller etwas
weiter die Straße herunter. »Sie brauchen nur dem Pfeil zu folgen. Oder uns,
wir wollen da nämlich auch hin.«
»Neuer Job als Fremdenführerin?«, witzelte Peter, als sie
weitergingen. »Woher kennst du das Lokal?«
»Von Abi, einer neuen Freundin …«
»Du hast eine neue Freundin?« Peter freute sich aufrichtig.
»Ja, du musst sie unbedingt mal kennenlernen, ich bin mir sicher, du
wirst sie mögen.«
Doch sie trafen weder Abi noch den liebenswerten Bob an, dafür aber
eine ganze Reihe seiner verführerischen Kuchen, die sich in der Glasvitrine von
ihrer besten Seite zeigten.
Peter bestellte Tee, betrachtete mit unverhohlenem Appetit den
feilgebotenen kulinarischen Luxus und bestellte schließlich mehrere Sorten
Kuchen.
»Peter!«, protestierte Lily, als Lorna lächelnd eine dreistöckige
Etagere voller Kuchen auf ihrem Tisch abstellte und Lily wie eine alte Freundin
begrüßte.
»Was denn?«, hielt er dagegen. »Jetzt sag bloß nicht, du isst keinen
Kuchen wegen der vielen Kalorien! Ein bisschen mehr kannst du ruhig vertragen.«
»Na, vielen Dank«, entgegnete Lily schnippisch und genehmigte sich
dann genau das Stück Schokoladenkuchen, auf das Peters Gabel sich gerade
zubewegt hatte.
»Ich geb dir was ab«, bot sie grinsend an, als die Vorfreude in
seinem Gesicht sich in Enttäuschung verwandelte.
»Nein, nein, schon okay. Du hast es nötiger als ich. Außerdem ist
das ja wohl das Mindeste, was ich für dich tun kann – dir ein lausiges, wenn
auch köstlich aussehendes Stück Kuchen zu spendieren …«
»Das sieht nicht nur köstlich aus, es schmeckt auch köstlich.« Lily
grinste ihn noch einmal an und leckte sich genüsslich die Schokoladencreme von
den Fingern.
Peter freute sich, etwas von der alten Lily aufglimmen zu sehen.
»Aber abgesehen von dem lausigen und köstlich schmeckenden Stück
Kuchen schulde ich dir eine Erklärung. Ich habe dich in letzter Zeit
vernachlässigt.«
»Ach ja?«
Lily blinzelte überrascht.
Sie hatte so viele andere Sachen im Kopf gehabt, ihr war gar nicht
aufgefallen, dass es über eine Woche her war, seit sie ihn zuletzt gesehen
hatte. Ja, richtig, er hatte sie seit vier Tagen nicht angerufen. Sonst rief
Peter eigentlich täglich an.
»Ja.« Er lächelte schuldbewusst, aber gleichzeitig schelmisch, als
könnte er platzen vor Freude. »Die Sache ist die … also … Ich hatte in letzter
Zeit etwas mehr zu tun als sonst.«
Lily machte ein mitfühlendes Gesicht.
»Ja, ich weiß, Peter, und ich kapiere gar nicht, wie du das alles
alleine schaffst …«
»Nein, Lily, das ist es nicht. Also ja, natürlich ist im Büro und am
Bau immer noch wahnsinnig viel zu tun, aber was ich meinte, war … Na ja, also,
die Sache ist die … also, ich habe jemanden kennengelernt.«
Und damit – das konnte Lily sofort heraushören – meinte er nicht,
dass er irgendeine neue Bekanntschaft gemacht hatte, sondern dass es sich um
einen sehr wichtigen Menschen handeln musste.
»Du hast jemanden kennengelernt?« In ihren grauen Augen blitzte es
vor Neugier und Freude auf.
Peter hatte ja schon öfter Frauen kennengelernt, und trotz seiner
Leibesfülle war die Liste der Frauen in seinem Leben beachtlich lang. Letztlich
war immer er es gewesen, der die Beziehungen wieder beendete.
»Ich finde nicht, dass ich übermäßig wählerisch bin, Lily«, hatte er
ihr nach der Trennung von der letzten Kandidatin erklärt, »aber ich wüsste
nicht, warum wir unser Leben an jemanden verschwenden sollten, der nicht der
Richtige für uns ist. Das wäre niemandem gegenüber fair.«
Er wartete – das gab er selbst zu – immer noch auf die Frau seines
Lebens.
Er nickte, legte die Gabel ab und vergaß einen Moment lang den
Kuchen, weil er an etwas dachte, das noch viel köstlicher war.
»Sie heißt Wendy.«
Mit glänzenden Augen sah er Lily an. Es fiel ihm schwer, vor lauter
Freude nicht zu lächeln.
»O mein Gott!« Lily
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