Das Rosenhaus
begrüßten
sich mit einer herzlichen Umarmung.
Der Nachteil an der Überraschung war, dass sämtliche Tische
reserviert waren und sie sich zunächst an die Bar setzen mussten. Doch Abi, die
zwischen den beiden Männern saß, die sie am allermeisten liebte, war einfach
nur glücklich und redete wie ein Wasserfall. Davon, was Nathan als kleiner
Junge so angestellt hatte, davon, wie Bob nach Merrien Cove gezogen war, und
davon, wie sie und Bob sich kennengelernt hatten.
Bob und Nathan nickten. Sie hatten die Geschichten schon tausend Mal
gehört, wären aber nicht im Traum darauf gekommen, Abi zu unterbrechen.
Ausgelassen stimmten sie in ihr Gelächter ein und fügten hier und da einen Satz
hinzu, der von ihnen erwartet wurde.
Schließlich stand Abi auf.
»Ich muss mal eben für kleine Mädchen. Wehe, ihr sprecht über
irgendetwas Wichtiges, während ich weg bin!«
»Hm, also, wenn wir Redeverbot haben …« Nathan prostete Bob zu, der
ihn angrinste und mit ihm anstieß.
»Deine Mutter ist immer überglücklich, wenn du hier bist, das weißt
du, oder?«
»Natürlich.«
»Und was hast du als Nächstes vor?«
Er zuckte mit den Schultern.
»Weiß ich noch nicht. Der National Geographic hat mir angeboten, einen ihrer Autoren nach Neuguinea zu begleiten.«
»Aber?«
»Woher weißt du, dass es ein Aber gibt?«
»Gibt’s etwa keins?«
Nathan nickte.
»Doch. Also, das ist schon ein ziemlich tolles Angebot, aber« – sie
lachten – »ich kenne den Journalisten von einem früheren Einsatz, bei dem wir
nicht besonders gut miteinander auskamen.«
»Und warum will er dich dann dabeihaben?«
»Vermutlich, weil ich der Beste bin.« Nathan zuckte lässig mit den
Schultern und machte ein übertrieben unschuldiges Gesicht, um seine Ironie zu
unterstreichen.
»Nein, im Ernst, wir sind auf persönlicher Ebene zwar nicht so gut
klargekommen, aber das Ergebnis unserer Zusammenarbeit war so ziemlich das
Beste, was wir beide je beruflich hervorgebracht haben. Ich habe noch ein paar
Tage Zeit, es mir zu überlegen.«
»Und wenn du dich dafür entscheidest, wann musst du dann los?«
»Weiß ich noch nicht.«
»Aber im Grunde ist es also doch wieder nur eine Stippvisite?«
»Ja, wahrscheinlich.«
»Weiß deine Mutter das?«
»Natürlich nicht.«
»Na, dann wollen wir es ihr heute Abend auch noch nicht verraten,
oder?«
»Heute Abend nicht und auch morgen und übermorgen noch nicht. Du
hast schon recht, Bob. Sobald Mum weiß, dass und wann ich wieder abreise, bläst
sie Trübsal und kann unsere gemeinsame Zeit gar nicht mehr richtig genießen.
Besser, der Abschied geht schnell über die Bühne.«
Anna, die abends im Port Hole jobbte und nun in der Uniform aus
schwarzer Bluse und langer Schürze vor ihnen stand, kam zu ihnen an die Bar.
»Es gibt eine Tisch frei, Mr. Manson.«
»Bob, Anna. Habe ich dir doch schon so oft gesagt …« Er erhob sich,
als Abi zurückkam, und lächelte die junge Spanierin freundlich an. »Nenn mich
doch bitte Bob.«
»Danke Mr. Manson … Bob, Sir.« Anna deutete einen Knicks an.
Bob fing an zu lachen.
»Danke, Anna, Liebes, aber ich meinte, nur Bob …« Er bot Abi seinen
Arm an, und sie hakte sich unter. »So, mein Schatz, ich habe schon seit
Längerem eine exzellente Flasche Wein für uns reserviert, so gut, dass sie nur
zu einer besonderen Gelegenheit getrunken werden darf.« Er nahm Abis andere
Hand und drückte sie sich kurz an die Lippen, dann führte er Abi zum Tisch.
»Ich glaube, Nathans Rückkehr ist ein würdiger Anlass. Was meinst du?«
Seit Ewigkeiten hatte Lily nur Jeans getragen. Sie kam
sich in dem Kleid, das sie sich für diesen Abend ausgesucht hatte, richtig
fremd vor und wusste auch nicht, ob sie überhaupt noch in Schuhen mit hohem
Absatz würde laufen können. Sie fühlten sich so unbequem an.
Überhaupt hatte sie sich gehen lassen.
Ihre Augenbrauen hatten sich ausgebreitet, ihre Haut war von der
vielen frischen Seeluft ausgetrocknet, und sie hatte sehr lange gebraucht, um ihre
Beine zu rasieren …
Es hatte sie seltsam befriedigt, die Rituale wiederaufzunehmen, die
in London zu ihrem Alltag gehört hatten und hier völlig in Vergessenheit
geraten waren. Feuchtigkeitscreme, Make-up, Maniküre.
Das Resultat konnte sich sehen lassen.
Als sie sich vor den Spiegel stellte, blickte ihr eine völlig
veränderte Lily entgegen. Jemand, der ihr zwar bekannt vorkam, den sie aber
schon lange nicht mehr gesehen hatte. Ruth hatte immer gesagt, sie sei
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