Das Rosenhaus
Aufnahme geworden. Ich mache Ihnen gerne einen Abzug davon.«
Sie sah ihn einen Moment aus ihren großen Augen an, aus deren Tiefe
ein solcher Schmerz und auch Trauer sprachen, dass er gerne gewusst hätte, was
in dieser Frau vorging. Was sie so quälte.
»Ehrlich gesagt, mag ich keine Fotos von mir. Mir wäre lieber, Sie
würden es vernichten.«
Er nickte. Allerdings nicht, weil er ihrem Vorschlag nachkommen
wollte. Das konnte sie nicht wissen, und darum war sie mit seiner Reaktion
zufrieden. Dann tauchte Abi mit dem Kaffee auf, was Lily an die Milch
erinnerte, die sie holen wollte. Hastig verabschiedete sie sich.
Als wäre all das nicht schon merkwürdig genug gewesen, empfand sie
nach ihrer Rückkehr zum Rose Cottage, kaum dass sie die Tür hinter sich
geschlossen hatte, etwas äußerst Seltsames: Aus irgendeinem unerfindlichen
Grund hatte sie zum ersten Mal das Gefühl, nach Hause zu kommen.
Am Abend desselben Tages fand sie die Whiskyflasche, die
mehr schlecht als recht unter einigem Abfall versteckt war, den Dylan
ausgemistet hatte. Erst dachte Lily, die Flasche sei von ihrem neuen
Untermieter, doch dann ging ihr auf, dass es die Flasche war, aus der sie sich
und Liam in jener Nacht einen Drink eingeschenkt hatte. Da war sie noch halb
voll gewesen. Jetzt war sie leer. Sie zog sie mit spitzen Fingern aus dem
Mülleimer und betrachtete sie angewidert und enttäuscht.
Dylan hatte darauf bestanden, Liam ins Bett zu helfen, und wollte
sich nun nach oben zurückziehen. Lily fing ihn im Flur ab und hielt ihm wortlos
die Flasche vor die Nase. Sie bedeutete Dylan, ihr in die Küche zu folgen.
»Jetzt erzähl mir bitte nicht, dass das deine ist«, zischte sie.
Er schüttelte den Kopf.
»Keine Angst, ich will dich ja nicht beleidigen. Aber ich verspreche
dir, dass ich mit ihm darüber geredet habe. Ich bin mir ziemlich sicher, dass
es nicht wieder vorkommen wird.«
»Wie lange geht das schon?«
»Es war ein einmaliger Ausrutscher.«
»Darum geht es nicht. Du weißt genauso gut wie ich, dass er nichts
trinken darf, solange er noch Schmerzmittel nimmt. Zumindest nicht in diesen Mengen.«
»Er hat behauptet, es sei ohnehin nicht mehr viel drin gewesen.«
»Alles ist relativ.« Im gleichen Moment ging ihr auf, dass sie es
gewesen war, die ihm ein Glas Whisky fast aufgedrängt hatte. Die Einsicht
stimmte sie milder.
»Ich möchte nicht, dass du mir so etwas verschweigst.«
Er nickte. Er konnte sie ja verstehen.
»Aber bei allem Respekt, Lily, ich habe das getan, was ich für das
Beste hielt. Wenn ich gedacht hätte, dass es dir oder euch irgendwie hilft,
wenn du das weißt, hätte ich es dir ja gesagt. Aber offen gestanden …«
Er brauchte nicht weiterzureden. Lily wusste, was er sagen wollte.
Die Stimmung zwischen ihr und Liam war auch so schon schlecht genug. Da konnten
sie einen solchen Streit nicht auch noch gebrauchen.
Jetzt war sie es, die nickte.
»Glaubst du, dass er es wieder tun wird?«
»Ich glaube, er hat herausgefunden, dass kein Alkohol der Welt die
Schmerzen wert ist.«
»Und glaubst du, er könnte anfangen, Alkohol zu trinken und Schmerzmittel einzunehmen?«
Dylan schüttelte den Kopf.
»Dazu ist er nicht der Typ. Er ist viel zu intelligent, so was
Dummes würde er nie tun.«
»Mag ja sein, aber er hat sich so verändert …« Sie wusste nicht
recht, wie sie ihren illoyalen Gedanken formulieren sollte. »Er ist einfach
nicht mehr der Alte.«
»Mag sein, aber ich kenne ihn ja erst seit seinem Unfall, also so,
wie er jetzt ist, und ich würde meine Hand dafür ins Feuer legen, dass er nicht
zum Alkoholiker und Tablettenjunkie wird.«
Er sah ihr offen und aufrichtig in die Augen. Sie nickte beruhigt
und ließ es dabei bewenden.
18
K urz nach
Einbruch der Dämmerung spazierten Abi und Nathan hinunter in den Ort und gingen
ins Port Hole. Beim Eintreten nahmen sie die entspannte Atmosphäre auf, die das
Gemurmel und die Kerzen auf den Tischen der frühen Abendessensgäste an diesem
Sonntag verbreiteten. Als sie über die Treppe in den ersten Stock gelangten,
lösten sie sofort einen Freudenschrei hinter der Bar aus.
»Hey, na endlich! Der Weltenbummler ist wieder da! Und deine Mutter
hat mir kein Wort davon gesagt!« Bob sah Abi vorwurfsvoll an, während er sich
hinter dem langen Mahagonitresen mit den endlosen Reihen hochprozentiger
Flaschen hervorarbeitete, und schenkte Nathan dann ein strahlendes Lächeln.
»Meine Schuld … Ich wollte dich überraschen.« Die beiden Männer
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