Das Rosie-Projekt
als Jüngere diese Arbeit verrichten zu dürfen. Ausnahmsweise erwies sich meine Einschätzung gesellschaftlicher Konventionen als zutreffender. Leider.
Als Rosie Belindas Tasse nahm, sagte Belinda: »Lass nur, das mache ich später.«
Rosie erwiderte: »Nein, bitte«, und nahm auch Eamonns Tasse.
Darauf nahm Belinda meine und Rosies Tassen und sagte: »Also gut, du kannst mir helfen.« Sie gingen zusammen in die Küche. Offenkundig würde es schwierig für Rosie werden, in Belindas Anwesenheit den Abstrich zu nehmen, aber mir fiel keine Möglichkeit ein, wie ich sie aus der Küche locken könnte.
»Hat Rosie Ihnen erzählt, dass ich mit ihrer Mutter zusammen Medizin studiert habe?«, fragte Eamonn.
Ich nickte. Wäre ich Psychologe gewesen, hätte ich aus Eamonns Gesprächsverhalten und Körpersprache möglicherweise herleiten können, ob er seine Vaterschaft zu Rosie verheimlichen wollte. Vielleicht hätte ich das Gespräch sogar in eine bestimmte Richtung lenken und ihm eine Falle stellen können, bei der er sich verriete. Doch zum Glück waren wir nicht von meinen diesbezüglichen Fähigkeiten abhängig. Falls Rosie es schaffte, die Speichelprobe zu nehmen, würde sich damit ein weitaus verlässlicheres Ergebnis analysieren lassen, als wenn ich irgendetwas aus seinem Verhalten ableiten müsste.
»Wenn ich Ihnen Hoffnungen machen darf …«, fuhr Eamonn fort. »In ihren jungen Jahren war Rosies Mutter ein bisschen wild. Sehr klug, gutaussehend … sie hätte jeden haben können. Alle anderen Frauen aus dem Medizinstudium haben damals Ärzte geheiratet.« Er lächelte. »Sie dagegen hat uns alle überrascht und sich für einen Außenseiter entschieden, der Ausdauer bewiesen hatte und dranblieb.«
Es war gut, dass ich nicht nach irgendwelchen Zeichen suchte. Mein Gesichtsausdruck musste absolute Verständnislosigkeit widergespiegelt haben.
»Ich vermute, dass Rosie nach ihrer Mutter kommt«, fügte er hinzu.
»In welchem Aspekt ihres Lebens?« Es schien mir sicherer, eine Erklärung nachzufragen, als davon auszugehen, dass er meinte, sie werde sich von einem unbekannten Kommilitonen schwängern lassen oder sterben. Dies waren die einzigen Fakten, die ich über Rosies Mutter wusste.
»Ich meine nur, dass Sie ihr vermutlich guttun. Und dass sie eine schwere Zeit hinter sich hat. Sagen Sie es ruhig, wenn Sie meinen, dass mich das nichts angeht. Aber sie ist ein tolles Mädchen.«
Jetzt war mir die Absicht seiner Aussage klar, wobei Rosie sicher zu alt war, um noch als Mädchen bezeichnet zu werden. Eamonn dachte, ich sei Rosies fester Freund. Ein verständlicher Irrtum. Ihn zu korrigieren hätte mit Sicherheit eine Lüge nach sich gezogen, und so beschloss ich zu schweigen. Da hörten wir aus der Küche ein Klirren.
»Alles in Ordnung?«, rief Eamonn.
»Es ist nur eine Tasse kaputtgegangen«, erwiderte Belinda.
Die Tasse zu zerbrechen gehörte nicht zu unserem Plan. Vermutlich hatte Rosie das Geschirrstück vor Nervosität fallen gelassen oder um es Belinda vorzuenthalten. Ich ärgerte mich, dass ich keinen Plan B entworfen hatte. Ich hatte das Projekt nicht als ernsthafte Feldstudie ausgearbeitet. Das war beschämend unprofessionell, und nun lag es in meiner Verantwortung, eine Lösung zu finden. Mit Sicherheit wäre ein Schwindel vonnöten, und im Schwindeln war ich nicht gut.
Mein bester Ansatz war, irgendeine Rechtfertigung für den Erhalt seiner DNA zu finden.
»Haben Sie schon von dem Genographie-Projekt gehört?«
»Nein«, entgegnete Eamonn.
Ich erklärte, dass wir mittels einer DNA -Probe seine entfernten Vorfahren ermitteln könnten. Er war fasziniert. Ich bot an, seine DNA zu untersuchen, wenn er mir einen Wangenabstrich zukommen lassen würde.
»Lassen Sie es uns gleich machen, bevor ich es vergesse«, sagte er. »Geht es auch mit Blut?«
»Blut ist ideal zum Untersuchen der DNA , aber …«
»Ich bin Arzt«, sagte er. »Warten Sie einen Moment.«
Eamonn verließ das Zimmer, und ich konnte Belinda und Rosie in der Küche reden hören.
»Hast du deinen Vater mal gesehen?«, fragte Belinda.
»Nächste Frage.«
Doch Belinda antwortete mit einer Feststellung. »Don scheint nett zu sein.«
Ausgezeichnet. Ich machte mich gut.
»Er ist nur ein Freund«, sagte Rosie.
Hätte sie die Anzahl meiner Freunde gekannt, hätte sie gewusst, dass sie mir ein riesiges Kompliment machte.
»Ach so«, meinte Belinda.
Rosie und Belinda kehrten zur selben Zeit ins Wohnzimmer zurück, als Eamonn mit
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