Das Rosie-Projekt
ausfiele. Ein Netz aus Lügen.
»Ich werde es dir sagen, wenn sie positiv ist«, erwiderte ich.
»Sag’s mir jetzt«, protestierte Rosie. »Sie
wird
positiv sein.«
»Woher willst du das wissen?«
»Ich weiß es einfach.«
»Du hast null Hinweise. Dagegen macht die Geschichte von Isaac Esler ihn zum perfekten Kandidaten. Er sollte direkt nach der Party eine andere heiraten. Er hat zugegeben, dass er betrunken war. Bei unserem Essen hat er sehr ausweichend geantwortet. Er steht auf dem Foto neben deiner Mutter.«
Darüber hatten wir noch nie gesprochen, obwohl es ein so deutlicher Hinweis war, dass wir ihm hätten nachgehen müssen. Für Konferenzen hatte Gene mir einmal den Tipp gegeben: »Wenn du wissen willst, wer mit wem schläft, musst du nur hingucken, wer beim Frühstück zusammensitzt.« Mit wem auch immer Rosies Mutter in jener Nacht geschlafen hatte – es war wahrscheinlich, dass er neben ihr stand. Es sei denn, natürlich, er hatte das Foto aufnehmen müssen.
»Meine Intuition gegen deine Logik. Sollen wir wetten?«
Es wäre unfair gewesen, die Wette anzunehmen. Durch das Gespräch im dunklen Keller war ich besser informiert und damit im Vorteil. Realistisch betrachtet, lag die Wahrscheinlichkeit für Isaac Esler, Gene und Geoffrey Case etwa gleich hoch. Ich hatte über Eslers Aussage zu »beteiligten Personen« nachgedacht und war zu dem Schluss gekommen, dass sie nicht eindeutig war. Möglicherweise hatte er einen Freund schützen wollen, vielleicht aber auch sich selbst. Doch wenn Esler selbst nicht der Vater war, hätte er mich einfach auffordern können, seine Probe zu testen. Vielleicht hatte er mich lediglich nur verwirren wollen, was ihm auch gelungen war, aber nur vorübergehend. Eslers irreführendes Verhalten hatte mich dazu gebracht, eine frühere Entscheidung neu zu überdenken. Wenn wir irgendwann alle Proben getestet und alle anderen Kandidaten ausgeschlossen hätten, würde ich die Probe von Margaret Case untersuchen.
»Jedenfalls ist es definitiv nicht Freyberg«, unterbrach Rosie meine Gedanken.
»Warum nicht?« Freyberg war der am wenigsten wahrscheinliche Kandidat, aber es war nicht ausgeschlossen.
»Grüne Augen. Ich hätte gleich daran denken müssen.«
Sie deutete meinen Gesichtsausdruck korrekt: Zweifel.
»Komm schon, du bist der Genetiker. Er hat grüne Augen, also kann er nicht mein Vater sein. Das habe ich im Internet überprüft.«
Unfassbar! Sie holt sich einen Genetikprofessor, um ihren Vater zu finden – eine Person mit außergewöhnlichen Fähigkeiten, mit der sie eine Woche lang verreist und fast jede wache Minute verbringt –, und konsultiert dann bei einer Genetikfrage das Internet.
»Diese Modelle sind vereinfacht dargestellt.«
»Don, meine Mutter hatte blaue Augen. Ich habe braune Augen. Mein echter Vater muss also braune Augen haben, richtig?«
»Falsch. Das ist zwar sehr wahrscheinlich, aber nicht hundertprozentig sicher. Die Genetik der Augenfarbe ist extrem komplex. Grün wäre möglich. Auch blau.«
»Eine Medizinstudentin – eine Ärztin – hätte das doch aber gewusst, oder nicht?«
Damit meinte Rosie offenbar ihre Mutter. Ich entschied, dass dies nicht der richtige Moment war, um Rosie einen detaillierten Abriss über die Schwächen der medizinischen Ausbildung zu geben.
Ich sagte nur: »Auch das ist sehr unwahrscheinlich. Gene hat damals Genetik unterrichtet. Es ist eine für Gene typische Vereinfachung.«
»Scheiß auf Gene«, sagte Rosie. »Gene steht mir bis hier. Teste einfach die Serviette. Es ist die richtige.« Aber sie klang schon weniger sicher.
»Was wirst du tun, wenn du es weißt?«
Diese Frage hätte ich früher stellen sollen. Dass ich es nicht getan hatte, war ein weiterer Beweis für die mangelhafte Planung des Projekts, aber nun, da Gene als Vater in Betracht kam, waren mir Rosies weitere Schritte wichtiger als vorher.
»Komisch, dass du fragst«, erwiderte Rosie. »Damals habe ich gesagt, es ginge darum, die Sache abzuschließen. Aber ich denke, unbewusst habe ich vielleicht diese Phantasie, dass mein echter Vater ins Bild hineinreitet und … sich Phil vornimmt.«
»Weil Phil sein Versprechen mit Disneyland gebrochen hat? Es wäre sicher schwierig, nach all der Zeit eine angemessene Strafe zu finden.«
»Ich hab doch gesagt, dass es eine Phantasie ist«, entgegnete sie. »Erst habe ich ihn als eine Art Helden betrachtet. Aber jetzt weiß ich, dass er einer von drei Männern ist, von denen ich zwei
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