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Das rote Band

Das rote Band

Titel: Das rote Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dana Graham
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Lionsbridge, „das seid Ihr nicht, nur größer als der Durchschnitt.“
     
    Am Abend machte sich Eloïse auf den Weg in die Waffenhalle zum Training der Damen. Joanna, die sehr zufrieden mit dem Abheilen ihrer Wunde war, hatte ihr die Teilnahme erlaubt, und so hatte sie freudig zugesagt, als Ian sie zum Mitmachen eingeladen hatte. Jetzt stand sie neben den anderen Studentinnen und lauschte begeistert seinen Anweisungen.
    „Ihr zieht das Messer aus der Tasche Eures Rockes, macht einen Ausfallschritt nach vorne und zielt auf den Bauch Eures Angreifers!“ Ian wies auf die Burgherrin, die ebenfalls beim Damentraining anwesend war. „Lady Joanna führt Euch nun vor, wie es aussehen soll.“
    Joanna trat nach vorne, griff nach ihrem Messer, vollführte einen perfekten Ausfallschritt und rammte die kleine Waffe einem unsichtbaren Gegner in den Bauch.
    „Ihr erhaltet von mir nun zum Üben ein Holzmesser, dann stellt Euch einer Partnerin gegenüber auf.“ Ian reichte den Studentinnen die hölzernen Waffen, die er extra für den Damenunterricht angefertigt hatte.
    Eloïse erhielt Onora als Partnerin, die missmutig das Gesicht verzog.
    „Hast du es genossen“, fragte Onora wütend, „dich bei den Studenten einzuschleichen und als einzige Frau bei ihnen zu sein?“
    Irritiert sah Eloïse sie an. „Nein, sie dachten doch, ich wäre ein Mann.“
    Die dunkelhaarige Studentin schnaubte. „Auch der Fechtmeister?“
    Eloïse verdrehte die Augen. Wer glaubte eigentlich noch alles, dass sie eine Liebesbeziehung zu Ian unterhielt? Der einzige Mann, dem ihre Zuneigung galt, war Victorian, doch für ihn hatte sie aufgehört zu existieren. „Lass uns beginnen, Onora“, sagte sie, um das unerfreuliche Gespräch zu beenden.
    Onora nickte, zog ihr Messer und stieß es in ihre Richtung. Eloïse hatte nicht mit so einem raschen Angriff gerechnet, und das Holzmesser streifte ihren rechten Handrücken. Sie spürte ein Brennen, als die hölzerne Schneide ihre Haut aufriss. Es war kein tiefer Schnitt, doch er blutete sofort stark.
    „Oh, Verzeihung!“ Onora sah sie in falschem Bedauern an. „Ich dachte, du seist schneller und geübter.“
    „Was ist passiert?“ Ian trat zu ihnen, nahm Eloïses Hand und betrachtete sie. „Lass dir die Verletzung von Lady Joanna säubern und verbinden. Und Onora, Ihr übt heute Abend mit mir weiter.“
    Die Studentin warf Eloïse einen triumphierenden Blick zu, bevor sie sich lächelnd Ian zuwandte.
    „Nimm es dir nicht zu Herzen, Eloïse“, sagte Joanna kurz darauf und wickelte eine Leinenbandage um ihre Hand. „Onora ist in Ian verliebt und nimmt dir deine Freundschaft mit ihm übel.“ Sie lächelte. „Begleite mich in die Burg. Es stecken zwei kleine Splitter in der Haut, und meine Pinzette liegt in der Apotheke.“
     
    Victorian wälzte sich in seinem Bett hin und her und fand keinen Schlaf. Schließlich stand er seufzend auf und trank einen Schluck Wein, doch es nützte nichts. Er kam nicht zur Ruhe, denn sein schlechtes Gewissen quälte ihn, und das schon die ganze Woche.
    Am Montagmorgen hatte er Eloïses Tisch zurückgeschoben, um ihr zu zeigen, wie sehr ihn ihr Verhalten gekränkt hatte. Aber scheinbar hatten sich die anderen Studenten seine Reaktion zum Vorbild genommen und ebenfalls jeden Umgang mit ihr vermieden. Und auch die Studentinnen lehnten die junge Frau ab. Wahrscheinlich hatte es Eloïse nicht bemerkt, aber er hatte sie sehr genau beobachtet und auch die Schikanen wahrgenommen, die sie erdulden musste. Heute Morgen war sie mit einem Verband an der Hand im Unterrichtszimmer erschienen und sah noch elender aus als die Tage zuvor. Von dem vorwitzigen Lächeln und dem Schalk wie in Korins Augen war bei ihr nichts zu entdecken.
    Zum krönenden Abschluss der Woche hatte Eloïse heute Nachmittag zum ersten Mal wieder am Fechttraining teilgenommen. Leroy hatte mit ihr kämpfen sollen, doch er hatte sich geweigert. Er könne nicht mit einer Dame kämpfen, hatte der junge Mann erklärt.
    „Aber du hast doch schon oft mit mir trainiert!“, rief Eloïse verzweifelt, aber Leroy schüttelte nur den Kopf.
    „Es gehört sich einfach nicht!“, erwiderte er. „Was, wenn ich dich verletze und eine Narbe zurückbleibt?“
    Schließlich erklärte sich Crispin bereit, mit Eloïse zu fechten, aber er führte seine Waffe, als kämpfe er mit einem kleinen Kind. Zu allem Unglück verhedderte sich Eloïse ständig in ihrem Rock und war schlussendlich gestürzt. Ian half ihr auf, doch sie riss

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