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Das rote Band

Das rote Band

Titel: Das rote Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dana Graham
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im Vergleich zum Anfang des Ausbildungsjahres.“ Anerkennend sah Jake die junge Frau an. Er war mit ihr gleich nach dem Mittagessen in die Waffenhalle gegangen, um ihr den versprochenen Fechtunterricht zu erteilen. „Dieser Degen, den Ihr führt, scheint wie für Euch gemacht.“ Er nahm Eloïse die Waffe aus der Hand und begutachtete sie. „Gehört er Eurem Bruder?“, fragte er und wies auf die Initialen.
    „Nein, Ian hat ihn mir geschenkt, als er noch dachte, ich sei ein Mann“, erklärte Eloïse.
    „Ian hat Euch den Degen gekauft?“
    Eloïse schüttelte den Kopf. „Ian hat ihn vom Dorfschmied anfertigen lassen, und die Kosten für die Waffe in den Erntedankferien in der Schmiede abgearbeitet.“
    Jake erwiderte nichts. Niemand hatte ihm gesagt, dass Ian in seiner freien Zeit in der Schmiede gearbeitet hatte. „Ihr seid für heute entlassen, Eloïse“, erklärte er und gab der Studentin den Degen zurück, „die Studenten und Lord Redcliff kommen bereits.“
    Die jungen Männer betraten lautstark die Waffenhalle und ließen sich auf der Tribüne nieder. Jake sah sich nach Samuel um, doch er konnte ihn nicht entdecken.
    „Wo ist der Fechtmeister?“, fragte er schließlich Alan, der als Letzter hereingekommen war.
    „Lord Redcliff erscheint meist etwas später“, antwortete Alan und setzte sich zu den anderen Studenten auf die Stufen.
    Jakes Stirn legte sich in Falten. „Steht auf!“, rief er den jungen Männern zu, „wir beginnen mit Aufwärmübungen, bis der Fechtmeister kommt.“ Er lief zur Waffenkammer, um die Holzschwerter zu holen. Als er die Tür des kleinen Raums öffnete, vertieften sich die Falten auf seiner Stirn. In der Waffenkammer herrschte ein furchtbares Durcheinander. Die Waffen steckten wahllos in den Kisten und Körben, und die Holzschwerter lagen auf dem Boden verstreut. Jake bückte sich und sammelte sie ein. Er musste Samuel unbedingt sagen, besser auf den Zustand der Waffenkammer zu achten.
    Zurück in der Halle drückte Jake den Studenten die Waffen in die Hand und gab ihnen Anweisungen für die erste Übung. In diesem Moment betrat Samuel die Halle, und Jake ging auf seinen Freund zu. „Was hat dich aufgehalten, Samuel?“, fragte er.
    Samuel winkte ab. „Nebensächlichkeiten.“
    „Wie ich sehe, hast du Ians Schreibtisch entfernen lassen“, bemerkte Jake.
    „Äh … ja, genau.“
    Jake nickte. Er wusste auch nicht, warum ihm der Anblick der leeren Ecke missfiel. „Welche Übungen hast du für heute vorgesehen?“
    „Nun, wir haben endlich eine Rangordnung aufgestellt, und nun üben wir in Gruppen“, antwortete Samuel.
    „Und was?“, hakte Jake nach.
    „Verschiedenes.“
    „Ich würde gerne zusehen“, erklärte Jake, „aber ich habe eine Unterredung mit Thomas Miller, für die ich jetzt schon zu spät bin. Ein anderes Mal bleibe ich.“
    „Jederzeit, Jake“, erwiderte Samuel.
    Mit eiligen Schritten verließ Jake die Waffenhalle, wobei er feststellte, dass sich seine Laune verschlechtert hatte.
     
    Samuels Magen knurrte, als er am späten Nachmittag die Waffenhalle verließ. Er hatte seit dem Frühstück keine Mahlzeit mehr gehabt, dafür ständig Unterricht und Besprechungen. Und bis zum Abendessen dauerte es noch eine ganze Weile. Kurz entschlossen schlug er den Weg zur Burgküche ein. Er öffnete die Eichentür und stürmte in den großen Raum, in dem die Vorbereitungen für das Abendessen in vollem Gange waren. Eine ältere rundliche Frau trat ihm entgegen. „Ich will etwas zu essen“, teilte er ihr mit.
    „Nein.“
    „Wie bitte? Ich bin der Fechtmeister der Burg, und ich habe Hunger!“
    Sie stemmte die Hände in die Hüften. „Und ich bin die Köchin der Burg, und es gibt nichts außerhalb der Mahlzeiten.“
    „Aber Ian hat sich auch immer Essen aus der Küche geholt!“, erwiderte Samuel.
    „Ian bekommt von mir mitten in der Nacht ein Spanferkel gegrillt, wenn er das will, aber Ihr kriegt keine Scheibe trockenes Brot. Vor allem, da Ihr es nicht für notwendig haltet anzuklopfen.“ Sie bohrte ihren Zeigefinger auf seine Brust. „Und jetzt raus aus meiner Küche, Mylord.“
    Alter Drache!, dachte Samuel und verließ die Küche ebenso hungrig, wie er gekommen war.
     
    Ian lag in eine Wolldecke gehüllt auf der Bank vor der Mühle und döste. Das Fieber hatte ihn mehr geschwächt, als er gedacht hatte, und die freien Tage taten ihm gut. Die Sonne schien strahlend hell, und die Luft war für November ungewöhnlich mild. Er zog die Decke fester um

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