Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das rote Band

Das rote Band

Titel: Das rote Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dana Graham
Vom Netzwerk:
fragte sie nicht nach dem Grund für die Aufschiebung. „Willst du nach den verletzten Soldaten sehen?“, erkundigte sie sich und wies in die Ecke mit dem Pritschenlager. „Sie würden sich über einige Worte von dir freuen.“
    Kaum hatte Ian mit den Männern der Burgwache gesprochen, kamen die Studenten und Studentinnen zurück in die Halle und hielten ihm ihre Briefe entgegen. Doch bevor er sich an einen Tisch setzen und die von Finley gereichte Feder ergreifen konnte, vernahm er ein Räuspern hinter sich. Er drehte sich um und sah Robert, Jakes Kammerdiener.
    „Ian“, sagte der Diener laut. „Der Earl schickt mich zu dir.“ Er streckte ihm seine zur Faust geschlossene Hand hin. „Mylord sagte, du brauchst das jetzt.“ Robert öffnete seine Finger, und Ian erkannte, was er darunter verborgen hielt: Jakes Siegelring, das Zeichen des Herrschers von Greystone.
    Die Gespräche der Studenten um ihn herum brachen ab. Ian atmete tief aus. „Ich nehme den Ring nicht.“
    „Das hat der Earl befürchtet.“ Die Stimme des Dieners blieb emotionslos, doch seine Mundwinkel zuckten verräterisch. „In diesem Fall, hat Lord Greystone gesagt, kommt er persönlich hinunter und steckt ihn dir an den Finger.“
    Ian stöhnte. „Das traue ich ihm tatsächlich zu.“
    Die Studenten lachten. „Nimm ihn, Ian“, riet ihm Victorian.
    Ian sah Joanna an, und sie nickte. Zögernd griff er nach dem Ring und schob ihn auf seinen Finger. Unter den begeisterten Rufen der Studenten entfernte sich der Diener, nachdem er angekündigt hatte, sogleich mit Siegelwachs zurückzukommen. Ian griff nach der Feder, schrieb einige Sätze unter den ersten Brief und reichte ihn Finley zurück.
    Irritiert blickte Finley auf das Papier. „Warum hast du nicht unterschrieben, Ian? Schließlich bist du jetzt der Stellvertreter des Earls.“
    Ian hob seinen rechten Arm, sodass das rote Band sichtbar wurde. „Und welchen Namen sollte ich unter den Brief setzen?“
    „Ach, diese Geschichte mit deiner Ehrlosigkeit nervt langsam gewaltig“, rief Raine und zog sein Messer. „Gib mir deinen Arm, Ian, wir beenden das jetzt. Es interessiert sowieso niemanden.“
    „Außer den König!“ Victorian trat vor und hielt Raine an der Schulter zurück. „Aber soweit denkst du natürlich nicht. Ihr Piraten habt die Gesetze noch nie geachtet.“
    „Pirat?“ Raine lachte. „Schau dich lieber mal selbst im Spiegel an, Euer Gnaden .“
    Unwillkürlich griff Victorian an die Schnittwunde, die seit dem Kampf gestern Nacht sein Gesicht durchzog. „Sie wird verschwinden, was man von deinen schlechten Manieren nicht behaupten kann“, erwiderte er. Lady Joanna hatte ihm versichert, es würde nur eine kaum sichtbare Narbe zurückbleiben. Und um nichts auf der Welt würde er zugeben, dass er stolz darauf war.
    „Victorian, Raine!“ Eloïse trat zwischen sie. „Ian hat genug zu tun, er braucht euren Streit nicht. Und ihr“, sie sah die anderen Studenten auffordernd an, „statt hier rumzustehen, helft lieber mit, die Tische zu decken, damit wir endlich ein Frühstück bekommen! Victorian, du nicht.“ Sie hielt ihn am Ärmel fest. „Ich muss mit dir reden.“ Gemeinsam verließen sie die Halle und gingen in einen der leeren Unterrichtsräume. Die halbe Nacht hatte Eloïse über die richtigen Worte nachgedacht, doch nun platzte es einfach aus ihr heraus. „Victorian, was du gestern Abend getan hast, um mich vor den Übergriffen der Söldner zu schützen, das war unendlich mutig. Ich weiß gar nicht, wie ich mich dafür bei dir bedanken kann.“
    „Das musst du nicht.“ Er sah sie unsicher an, etwas das selten genug vorkam. „Ich … ich wollte auch mit dir reden.“
    Ein Kribbeln lief Eloïse über den Rücken, und sie blickte hoffnungsvoll auf.
    „Alles, was ich den Söldnern gesagt habe“, fuhr Victorian fort, „über dich, die anderen, den Earl – es war gelogen.“
    „Ich weiß.“ Sie verbarg ihre Enttäuschung hinter einem Lächeln. „Aber du warst sehr überzeugend. Doch das bist du immer, wenn du diesen Blick hast.“
    „Welchen Blick?“
    „Na, deinen Ich-bin-der-Sohn-des-Dukes-von-Walraven-und-mein-Wort-ist-Gesetz- Blick. Wenn du so schaust, glaubt man dir absolut alles. Sogar ich falle gerne darauf herein.“
    „Es waren nur Lügen“, wiederholte er bestimmt.
    Eloïse nickte. Sie war froh, dass all die schlimmen Sachen, die er den Söldnern erzählt hatte, nicht der Wirklichkeit entsprachen. Nur der eine Satz, der sollte wahr sein. Denn

Weitere Kostenlose Bücher