Das rote Band
nichts wünschte sie sich mittlerweile sehnlicher, als dass sie tatsächlich seine Verlobte wäre.
Ian saß in der großen Halle und biss in ein Stück Brot. Alle Studenten und viele Soldaten saßen ebenfalls beim Frühstück. Es herrschte eine gelöste Stimmung, und für die meisten hatten die Ereignisse der vergangenen Nacht ihren Schrecken verloren. Joanna war zu Jake gegangen, um nach seinen Wunden zu sehen, und Robert hatte die Briefe abgeholt und Boten übergeben.
„Du hast alles wunderbar organisiert.“ Mit einem Lächeln ließ sich Galad neben ihm auf der Bank nieder. Er sah Ians fragenden Gesichtsausdruck und erklärte: „Jake hat mich aus dem Krankenzimmer rausgeworfen. Er sagt, er ertrage meinen besorgten Blick nicht mehr. Ich nehme es als Zeichen, dass er auf dem Weg der Besserung ist.“ Galad grinste. „Außerdem meinte er, ich sollte dich ablösen. Du hättest bestimmt noch nicht geschlafen.“
Ian nickte. Jetzt, da alles geregelt war, spürte er seine Müdigkeit. „Gegen etwas Ruhe hätte ich wirklich nichts einzuwenden“, gab er zu.
„Und gegen ein Bad sicher auch nicht, so, wie du aussiehst. Ich habe oben in deinem Zimmer eine Wanne für dich bereit machen lassen.“ Galad legte ihm die Hand auf die Schulter. „Geh, ich passe auf alles auf.“
Ian gähnte. „Danke, das lasse ich mir nicht zweimal sagen.“
Kurze Zeit später stieg Ian ins wohlig warme Wasser. Er streckte sich aus, atmete tief durch und schloss die Augen. Der Diener Cedric, der ihm beim Entkleiden geholfen hatte, war gegangen, und wollte erst in ein paar Minuten wiederkommen, um ihm beim Haare waschen behilflich zu sein. Ian rieb sich das Gesicht. Hoffentlich ließ Cedric sich noch einen Moment Zeit, denn das Bad tat ausgesprochen gut. Allerdings musste er sich zusammenreißen, vor lauter Entspannung nicht einzuschlafen. Wie dumm, wenn er jetzt im Badewasser ertränke, nachdem er den Kampf mit den Söldnern überlebt hatte.
Wo Joanna wohl gerade war? Vermutlich nicht weit weg. Bei Jake oder bei den verletzten Soldaten, die nun ebenfalls im Krankenzimmer untergebracht worden waren. Ian runzelte die Stirn. Er hätte sie nicht vor allen anderen küssen dürfen! Doch seine Sehnsucht war nach all der Zeit zu groß gewesen, um sich zurückzuhalten. Die Tür des Zimmers öffnete sich, doch er war zu faul, die Augen aufzumachen. Er hörte, wie Cedric eine kleine Tonflasche mit Seifenöl entkorkte. Dann trat der Diener hinter ihn und begann, seine Schultern mit einem mit Kräuteressenz beträufelten Schwamm zu reinigen. Das Öl roch gut, und Ian seufzte genießerisch. Das hatte er sich mehr als verdient! Der Diener war mittlerweile dazu übergegangen, das Blut, das auf seiner Brust klebte, abzuwaschen. Sobald er hier fertig war, würde er Joanna aufsuchen, und dann würde es nicht bei einem Kuss bleiben!
Erneut fiel Ian der anregende und belebende Duft des Seifenöls auf. Mit sanften Strichen bewegte Cedric den Schwamm in Richtung seines Bauchnabels. Dieses Blut klebte scheinbar überall. Aber egal, er wollte keinesfalls schmutzig zu Joanna kommen. Die letzten Wochen ohne sie waren eine verdammte Zumutung gewesen. Erst sein Fieber und dann die einsamen Tage in der Mühle. Er wusste kaum noch, wie sie sich anfühlte! Doch das würde sich bald ändern und wenn er sie mit Gewalt aus dem Krankenzimmer ziehen musste. Aber nein, so wie sie ihn vorhin geküsst hatte, stand ihr Begehren dem seinen in nichts nach. Er erinnerte sich an ihre weichen Lippen und wie sich ihr Köper an den seinen geschmiegt hatte. Eng hatte sie bei ihm gestanden und eine ihrer Hände war über seinen Rücken zu seinen Lenden geglitten, genau wie jetzt. Er stöhnte unter der Berührung auf und hielt erschrocken die Luft an, als ihm gewahr wurde, dass es der Schwamm sein musste, den er spürte! Um Himmel willen, wie hatte er sich vor dem Diener nur so gehen lassen können! Peinlich berührt riss er die Augen auf und blickte in Joannas amüsiertes Gesicht.
„Hat ja ganz schön lange gedauert, bis du gemerkt hast, dass ich nicht Cedric bin.“ Sie lachte. „Oder muss ich mir Gedanken machen?“
„Oh nein!“ Ian schlug mit der Hand ins Wasser, dass die Tropfen über die Wanne spritzten. „Das glaube ich nicht!“
Sie kicherte. „Ein Beutel voll Gold für deine Gedanken eben.“
Immer noch empört schüttelte er den Kopf. „Für alles, was jetzt folgt, bist du selbst verantwortlich, Joanna.“ Er beugte sich vor, umfasste ihre Taille und hob sie
Weitere Kostenlose Bücher