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Das rote Band

Das rote Band

Titel: Das rote Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dana Graham
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Armlehne des Stuhls und verschränkte die Finger ineinander.
    Ihr Bruder hielt dem Blick des Königs stand. „Adcoque beruft sich lediglich auf Gerüchte“, erwiderte er.
    „Gerüchte?!“ Theodoric schlug mit der Faust auf die Armlehne und seine Stimme wurde gefährlich leise. „Ich habe gerade einen einjährigen Feldzug hinter mir, nervenzerfetzende Verhandlungen mit dem Feind, und nicht unweit dieser Burg lagert mein müdes, hungriges Heer. Mir steht nicht der Sinn danach, über den Wahrheitsgehalt von Gerüchten zu debattieren, Jake! Dein Ruf muss unantastbar sein, und dafür werde ich jetzt sorgen und dann gehen.“
    Joanna glaubte, sich verhört zu haben. Der König hatte nicht vor, sich um Ians Fall zu kümmern? Entschlossen trat sie nach vorne. „Nein, Majestät, Ihr müsst Euch unbedingt noch ...“
    Der König wandte den Kopf zu ihr, und Joanna erkannte, dass sie einen Fehler gemacht hatte.
    „Ihr, Mylady, sprecht nur, wenn Ihr dazu aufgefordert werdet“, erwiderte Theodoric scharf. „Ich bin Euer König und nicht einer Eurer Studenten, dem Ihr ungefragt Befehle erteilen könnt.“
    Joanna senkte entschuldigend den Kopf und ging wieder einen Schritt zurück.
    Der König sah wieder zu Jake. „Glaubte ich Adcoques Bericht, müsste ich dich verbannen, Jake. Ein Earl mir einer offenen Affinität zu Männern ist politisch nicht tragbar. Doch da du auch Leiter der Akademie bist, ändert sich die Lage. Die anderen Stifter teilten mir auf meine Anfrage zwei Vorschläge für deine Nachfolge mit, aber weder der Viscount of Adcoque noch deine Schwester würden das Amt so ausfüllen, wie ich es mir vorstelle.“
    Alarmiert blickte Ian zu Jake. Der König wollte Joanna nicht als neue Countess! Jake hatte sich mit seinen Vermutungen damals in der Bibliothek geirrt! Doch wer würde nun …?
    „Von daher, Jake“, fuhr Theodoric fort, „wirst du Earl und Leiter bleiben – unter der Bedingung, innerhalb eines Monats zu heiraten. Um Adcoques Anschuldigungen zu widerlegen, wird Galad deine Schwester zur Frau nehmen. Wie mir scheint, hat Lady Joanna einen Ehemann, der ihr züchtiges Benehmen beibringt, mehr als nötig. Dass ich alsbald Kinder in beiden Ehen erwarte, ist selbstverständlich.“
    Ian hatte das Gefühl, als ob in ihm etwas zerbreche. Das Atmen fiel ihm mit einem Mal schwer, und eine eisige Kälte umschloss sein Herz. Er starrte geradeaus und bemerkte kaum, dass der König nun zu ihm sah.
    „Und dieser Ehrlose“, Theodoric wies mit dem Finger auf ihn, „kommt als Gefangener mit mir. Die Verstoßung aus dem Adelsstand mittels der Lex patris ist ein altes, ehrwürdiges Recht unseres Reiches. Einspruch dagegen hätte sofort und nicht erst ein Dreivierteljahr später erfolgen müssen. Wie ich erfahren habe, hat dieser Geächtete hier trotzdem unerlaubt seinen Adelstitel weitergetragen und alle über seinen Stand getäuscht. Ein Handeln, das aufs Härteste bestraft werden wird.“ Der König blickte zu Jake. „Das ist mein Urteil in dieser Angelegenheit“, erklärte er und winkte Ian zu sich.
    Wie betäubt machte Ian einen Schritt nach vorne. Immer noch weigerte sich sein Bewusstsein, das Gehörte zu akzeptieren. Doch die Entscheidung des Königs war gefallen, anders, als sie alle es erwartet hatten. Jake würde Earl bleiben, und er selbst würde in den Kerkern der Königsburg verschwinden. Aber im Gegensatz zu ihm würde Jake dieses Urteil freuen, und er würde die Bedingungen Theodorics billigend in Kauf nehmen. Ich würde alles opfern, um als Earl mit Galad hierzubleiben, waren damals seine Worte gewesen. Ians Hals schnürte sich zu. Jakes Hoffnungen hatten sich erfüllt, seine nicht – er hatte alles verloren.
    Vor Joanna blieb Ian stehen. Sie weinte lautlos, und der Schmerz, den er bei ihrem Anblick empfand, zwang ihn fast in die Knie. Er würde sie nie wiedersehen. Ihr beider Traum von einer gemeinsamen Zukunft war unwiederbringlich zerstört. Ian streckte die Hand aus und strich mit dem Finger eine Träne aus ihrem Gesicht. „Du musst jetzt stark sein, Joanna“, flüsterte er, kaum fähig zu sprechen. „Ich … ich werde dich lieben bis zum letzten Augenblick meines Lebens.“ Dann wandte er sich rasch ab, bevor er selbst noch den Verstand verlor. Er hob den Kopf, um die letzten Schritte zum König in Würde zurückzulegen, als Jake ihn plötzlich am Arm packte und festhielt.
    „Ich muss Eurem Urteil widersprechen, Majestät“, erklärte Jake ruhig. „Wir bleiben alle vier in Greystone

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