Das rote Band
Euch, Amira“, sagte er schließlich und reichte der jungen Frau vor sich die Hand. „Was erwartet Ihr von mir?“, fragte er freundlich.
„Eure Hilfe und Euren Beistand, Majestät“, flüsterte sie unter Tränen.
„Ihr werdet sie bekommen, Mylady“, versprach er. „Eine wunderschöne Frau wie Ihr sollte niemals weinen.“
Ian schritt durch den Festsaal. Alle Studentinnen und Studenten, die Lehrer, die Soldaten sowie große Teile der Dienerschaft hatten sich dort als Zeugen für seine bevorstehende Adelung versammelt, und viele klopften ihm auf seinem Weg nach vorne auf die Schulter. Doch Ian spürte die freundlichen Gesten kaum. Er war immer noch wie benommen von dem vorangegangenen Gespräch mit dem König. Als Theodoric sein erstes Urteil gesprochen hatte, hatte er jeden Glauben an irgendeine Art von Gerechtigkeit verloren und sich mit seinem sicheren Tod abgefunden. Jetzt hier im Festsaal zu sein, hatte etwas Unwirkliches, war fast wie ein Traum. Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. Wenn es tatsächlich ein Traum sein sollte, dann wollte er nie wieder daraus erwachen!
An der Stirnseite des Saales wartete bereits Joanna und sah ihm mit flammendem Gesicht entgegen. Sie stand zur linken Seite des Königs, Jake und Galad auf der rechten. Ian blieb vor dem Herrscher stehen und kniete sich nieder. Sein Herz klopfte wild. Nur noch wenige Augenblicke, und ihn würde nichts mehr von Joanna trennen! Die Unterhaltungen im Saal verebbten, und Ian wusste, dass alle Augen auf ihn und den König gerichtet waren.
„Ian, Fechtmeister von Greystone und ehrlos erklärter Sohn des Barons of Darkwood“, hob Theodoric an. „Als Belohnung für deine Dienste um die Akademie sowie deinen Mut im Kampf erhebe ich dich in den Adelsstand und ernenne dich zum neuen Viscount of Highfalls.“
Ian neigte den Kopf und im Saal erklang vielstimmiger Jubel, doch der König erhob seine Hand, und sofort trat wieder Stille ein. „Ian, gib mir deine rechte Hand“, forderte er ihn auf.
Gehorsam streckte Ian ihm den Arm entgegen, und Theodoric zog sein Messer. Er schob Ians Hemdsärmel zurück und durchtrennte das rote Band mit einem Schnitt. Die beiden Enden fielen zu Boden, und Ian starrte auf sein nun nacktes Handgelenk. Es dauerte einen Moment, bis ihm gewahr wurde, dass die Zeit seiner Ehrlosigkeit endgültig vorbei war.
Der König räusperte sich leise, und Ian fiel ein, dass die Zeremonie noch nicht vorbei war. Jetzt musste er Theodoric den Lehnseid leisten. Schnell sah er zu dem Herrscher auf und legte die rechte Hand auf seine Brust, bevor er wie in Trance die Worte sprach, die Galad ihm gestern beigebracht hatte: „Ich, Ian, Viscount of Highfalls, schwöre Euch, Theodoric, König von Telamen, Treue und verspreche, den Frieden im Reich zu wahren und meine Aufgaben als Lehnsmann und Grundherr gewissenhaft zu erfüllen.“
„Dann erhebt Euch, Ian of Highfalls“, erklärte Theodoric feierlich. Ian stand auf und der König umschloss mit beiden Händen seine rechte Hand. „Ich, Theodoric, König von Telamen, erkenne dich, Ian of Highfalls, als meinen Lehnsmann an und sichere dir und deinen Nachkommen meine Treue und meinen Schutz zu.“
Erneut brandete Applaus auf, doch abermals bat Theodoric um Ruhe. „Es gibt zwei Angelegenheiten, die noch erledigt werden müssen, bevor ich Greystone verlasse.“ Er drehte sich um, nahm Joanna an der Hand und leitete sie an Ians Seite. „Als Erstes gebe ich die Verlobung von Joanna of Greystone mit dem Viscount of Highfalls bekannt. Eine Ankündigung, die kaum für Überraschung sorgen dürfte, wie ich erfahren habe. Die beiden werden in zwei Wochen, am letzten Tag der Abschlussprüfungen, heiraten.“
Lachen und Klatschen folgten auf seine Worte, das der König ein drittes Mal unterband. „Als Letztes gebe ich die Auflösung der Verbindung zwischen Amira of Bellham und Victorian of Walraven bekannt. Lady Amira trifft keine Schuld an diesem Bruch, und sie steht bis auf Weiteres unter meiner persönlichen Obhut.“
Absolute Stille folgte auf die Worte des Königs. Und während die Augen von Rose seit langer Zeit wieder hoffnungsvoll zu strahlen begannen, runzelte Raine die Stirn. „Das wird Seiner Gnaden nicht gefallen“, sagte er zu Harper.
„Wenn er es überhaupt schon weiß“, erwiderte sein Freund. „Victorian liegt immer noch krank in seinem Zimmer.“
„Wie fühlst du dich?“ Eloïse saß an Victorians Bett und sah ihn besorgt an.
„Jetzt, da ich
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