Das rote Band
oder keiner von uns.“
Der König fixierte Jake, und Ian hielt die Luft an. Jake leistete offenen Widerstand, das kam fast Verrat gleich! Theodoric würde seine Ritter hereinrufen und sie alle töten lassen! Aber nichts dergleichen geschah, und Ian stellte überrascht fest, wie ein feines Lächeln den Mund des Königs umspielte.
„Du erstaunst mich, Jake“, erwiderte Theodoric. „Du setzt deine Zukunft aufs Spiel für den Liebhaber deiner Schwester?“
„Für Ian, ja!“, antwortete Jake entschlossen. „Meinen Fechtmeister, meinen zukünftigen Schwager und meinen Freund!“
Der König sah ihn einen Moment verdutzt an, dann trat ein Glitzern in seine Augen.
Und in diesem Augenblick verstand Ian, dass die richtigen Verhandlungen nun erst beginnen würden. Der König hatte mit diesem Urteilsspruch lediglich Jakes Meinung und Standhaftigkeit prüfen wollen. Das nun Folgende hatte nichts mehr mit Recht, Ehre oder Mitgefühl zu tun. Es war Politik, aus der beide Seiten so viele Vorteile wie möglich für sich ziehen wollten. Er atmete tief durch. Hoffentlich waren Jake und Galad diesem Spiel der Macht gewachsen, er war es nicht.
„Majestät“, sprach Jake weiter. „Ich kann die Gerüchte um mich nicht zerstreuen, deshalb werden wir alle Greystone verlassen und nach Delaria gehen. Galad und ich haben dort ein Stadthaus erworben und große Teile unseres Besitzes bereits dorthin verfrachtet. Wir werden in der Stadt eine neue Akademie gründen, meine drei besten Lehrer habe ich ja dabei. Der Stadtrat von Delaria ist einverstanden und wird Ian sofort nach Eintritt das Bürgerrecht verleihen.“ Er machte eine kurze Pause. „Ihr könnt Greystone an meinen Cousin oder an den Viscount of Adcoque vergeben, es kümmert mich nicht.“
Theodorics Gesicht nahm einen säuerlichen Ausdruck an. „Wenn ich Greystone deinem Cousin übertrage, wird der Besitz in kürzester Zeit zugrunde gewirtschaftet sein und die Akademie vor ihrem Ende stehen. Das würde weder die anderen Stiftungsmitglieder freuen, die einen Teil ihres Vermögens in diese Ausbildungsstätte gesteckt haben, noch mich. Von Adcoque, der nur seine persönliche Bereicherung im Sinn hat, will ich als potentiellen Nachfolger gar nicht erst reden.“ Der König musterte Jake und Galad. „So laut die Gerüchte um Eure Beziehung sind, scheinen sie erstaunlich wenige Menschen davon abzuhalten, Euch zu vertrauen und ihre Kinder in die Akademie zu schicken. Selbst die Marquesses of Upperlake und Wilcox sowie mein Freund, Maximilian of Walraven, haben ihre Söhne hier.“ Er schüttelte über diesen Umstand ungläubig den Kopf und erhob sich von seinem Stuhl. „Und dann haben wir immer noch dich, Ian, zweiter Sohn des Barons of Darkwood. Bis vor Kurzem mir gänzlich unbekannt, sorgt dein Vorhandensein für wahre Brieffluten in meiner Feldpost. Dein Vater und Adcoque halten dich für einen unfähigen, betrügerischen Mann, während Jake, Galad, der Earl of Crosslands und deine Geschwister das genaue Gegenteil behaupten. Die Frage ist: Wer bist du wirklich ?“
„Er wird der sein, zu dem Ihr ihn macht, Majestät.“ Galad neigte den Kopf und lächelte den König an.
„Galad!“ Seufzend trat der König auf ihn zu und klopfte ihm auf die Schulter. „Weise wie eh und je. Ich habe es stets bedauert, dass du Greystone meinem Hof vorgezogen hast. Ein erheblicher Verlust, denn du warst der beste von euch vier Brüdern.“ Er sah ihn offen an. „Wir beide kennen uns zu gut, also ersparen wir einander die Zeit. Was sind eure Vorschläge?“
„Ian wird wieder geadelt und erhält einen Titel“, antwortete Galad.
Der König zog die Augenbrauen hoch. „Der Adelung stimme ich zu, aber womit hat Ian sich einen Titel verdient?“
„Dass Ian Taten vollbracht hat, die ihn eines Titels würdig machen, hat Bennett Euch in meinem Namen bereits mitgeteilt. Außerdem gibt es viele, die sich ihren Titel nicht unbedingt verdient, sondern eher erkauft haben.“
„Sprich weiter“, verlangte der König.
„Ein Feldzug, so erfolgreich er verlaufen sein mag, verschlingt Unsummen. Und zufällig weiß ich, dass der Viscount of Highfalls kürzlich ohne Nachkommen verstorben ist. Highfalls liegt nur einen halben Tagesritt von Greystone entfernt. Eine kleine, in die Jahre gekommene Festung am Fuße des Gebirges, die dringend einen neuen Herrscher braucht, der den Besitz wieder in Ordnung bringt.“ Galad unterbrach seine Ausführungen mit einem bedeutungsvollen Schweigen.
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