Das rote Band
seinen neuen Reitkenntnissen entzückt gewesen und hatte mit lobenden Worten nicht gespart.
Alle anderen saßen bereits am Tisch, und kaum hatten Joanna und Galad Platz genommen, wurde das Essen serviert. Ein älterer Diener stellte eine Platte mit Braten und einen Korb mit Brot auf den Tisch. Als er zurückging, stieß er gegen Ians Stuhl.
„Entschuldigt, Mylord, ich …“ Er brach ab, sah zu Jake hinüber und räusperte sich. „Entschuldige meine Ungeschicklichkeit, Ian.“
Jake wartete, bis sich der Diener entfernt hatte, dann erklärte er Ian, der ihn fragend anschaute: „Ich habe vorhin die Dienstboten zusammenrufen lassen und über deinen neuen Status aufgeklärt, deshalb die veränderte Anrede. Es darf niemand denken, wir würden deine Ehrlosigkeit vertuschen wollen.“
„Wie haben sie die Nachricht aufgenommen?“, fragte Ian, und Joanna merkte seiner Stimme an, dass ihm diese Neuigkeit längst nicht so gleichgültig war, wie er vorgab.
„Gut. Nur Hannah und Miles waren sehr bestürzt.“ Jake grinste. „In Hannahs Fall trifft es erbost wohl eher. Wenn der König dich nicht adelt, sollte er niemals unserer Köchin über den Weg laufen.“
Ian, der das Temperament der Köchin gut kannte, musste lächeln.
Ronen hingegen war deutlich anzumerken, dass er das Ganze immer noch nicht guthieß. „Wahrscheinlich werden die Mägde und Knechte Ian ab morgen nicht mehr bedienen, geschweige denn, Anweisungen von ihm entgegennehmen“, erklärte er mürrisch.
Doch niemand am Tisch ging auf seine düsteren Vorhersagen ein. Bennett und Galad überboten sich im Erzählen von Anekdoten aus ihrem Diplomatenleben, und das Abendessen wurde eine vergnügte Angelegenheit. Vor lauter Lachen bemerkte Joanna Jakes Kammerdiener Robert erst, als dieser neben ihrem Bruder stand und ihm einen Brief reichte. Jake öffnete das Schreiben, und seine Miene verfinsterte sich. Wortlos reichte er es an Galad, der den Inhalt überflog und das Papier angewidert beiseitelegte.
Jake stand auf. „Ich muss euch leider verlassen, dieser Brief ...“
„… dieser Brief ist es doch sicher nicht wert, einen schönen Abend mit unseren Freunden und Familien abzubrechen?“, vollendete Galad seinen Satz.
„Nein“, entgegnete Jake, „diese Sache ...“
„… hat bestimmt Zeit bis morgen früh, meinst du nicht, Jake?“ Galad wies lächelnd auf den Stuhl. „Bitte, setz dich wieder. Heute Abend können wir in dieser Angelegenheit sowieso nichts mehr ausrichten.“
Jake zögerte, dann steckte er das Schreiben in die Tasche seines Wamses. „Du hast recht. Es ist vermutlich sogar besser, eine Nacht darüber zu schlafen.“ Er ließ sich wieder auf seinen Stuhl nieder und sah zu Ronen hinüber, der das Gespräch mit interessiertem Blick verfolgt hatte. „Auf Galads Rat kann ich mich verlassen“, erklärte ihm Jake, „schließlich war er sogar Berater König Theodorics. Und jetzt erzähl mir, Ronen, wie deine Geschäfte in Delaria vorangehen …“
Bennett, der neben Ian saß, stieß diesem den Ellenbogen in die Rippen. „Ich muss mich wirklich an Galads veränderten Tonfall gewöhnen“, sagte er leise und blickte zu Jake und Ronen hin, die ins Gespräch vertieft waren
Ian grinste. „Jake sicher auch.“
„Nach seinem Gesichtsausdruck eben zu urteilen, eindeutig ja.“ Bennett lachte. „Das halbe Jahr Trennung von Jake war nicht das Schlechteste für meinen kleinen Bruder. Er hat gemerkt, wie wichtig er Jake ist und traut sich endlich, seine Meinung ihm gegenüber zu vertreten. Das tut Galad gut.“
„Das tut uns allen gut“, erwiderte Ian. „Ich wüsste nicht, wo ich jetzt wäre ohne Galad.“
„Leider weiß ich, wo ich morgen wieder sein werde.“ Bennett verzog das Gesicht. Laut verkündete er: „Ich muss morgen früh abreisen. Der König hat mir nur drei freie Tage gestattet.“
Joanna, die neben Charlotte saß, glaubte, einen Laut der Enttäuschung von ihrer Freundin zu vernehmen.
„Und Charlotte und ich fahren morgen ebenfalls nach Hause“, erklärte Ronen.
„Was? Ich bin doch erst heute früh in Greystone angekommen“, beschwerte sich seine Schwester, doch Ronen überging ihren Einwand.
„Das ist sehr schade, dass ihr uns alle so bald verlassen müsst“, sagte Joanna, nun ebenfalls enttäuscht. „Dann lasst uns aber diesen Abend noch ausgiebig genießen.“
Es war spät, als sich ihre Runde auflöste, und noch später, als Ian Joannas Zimmer betrat. Sie lag bereits im Bett, und er setzte sich
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