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Das rote Band

Das rote Band

Titel: Das rote Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dana Graham
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war! Trotzdem waren alle am Morgen auf dem Burghof erschienen, alle bis auf Victorian. Eloïse hatte ihn holen wollen, doch Harper hatte sie am Kragen gepackt und drohend die Faust gehoben.
    „Nein, du läufst nicht zu ihm! Ich will sehen, wie Ian ihn wegen dieser Verweigerung zur Rede stellt.“
    „Aber Victorian weiß nichts von dem Waldlauf“, entgegnete Eloïse. „Er ist doch gestern Nachmittag früher aus der Waffenhalle gegangen.“
    „Ian hat es ihm später beim Abendessen mitgeteilt“, erklärte Raine. „Ich saß daneben. Es ist Victorians Art zu zeigen, dass er sich von einem Ehrlosen nichts sagen lässt.“
    Eloïse seufzte. Mit dieser Vermutung hatte Raine wohl leider recht. „Gut, ich gehe nicht“, gab sie nach.
    Harper ließ sie los. „Hätte mich auch geärgert, wenn ich dir wegen Victorian eine hätte reinhauen müssen.“
     
    Eloïse schnaufte. Ian hatte das gemächliche Anfangstempo immer mehr gesteigert, und der Schweiß lief ihr über den Rücken. Sie war froh, in Coldhill viel an der Luft gearbeitet zu haben. Hätte sie wie eine feine Dame nur im Zimmer gesessen und gestickt, sie wäre längst zusammengebrochen. Auch einige der Männer hatten Probleme mitzuhalten: Nathaniel keuchte, Prosper war knallrot im Gesicht, und Leroy stolperte fast über seine eigenen Füße.
    Ian führte sie einen kleinen Hang hinauf, und Eloïse erreichte stöhnend als eine der Letzten die Anhöhe. Sie stützte die Hände auf ihre Oberschenkel und atmete tief ein und aus.
    „Ich glaube, ihr habt euch alle eine Erfrischung verdient.“ Ian zeigte hinter sich und grinste.
    Erst jetzt bemerkte Eloïse, dass der Hang an einer Seite steil abfiel. Neugierig trat sie ein paar Schritte vor und blieb abrupt stehen. Die Erhebung, auf der sie sich befanden, war ein riesiger Felsen, der schätzungsweise vier Meter hoch war. Direkt darunter lag ein See, in dessen klarem, türkisfarbenen Wasser vereinzelte Sonnenstrahlen glitzerten. Das Felsgestein wölbte sich wie ein Halbmond über dem Wasser.
    „Wir sehen uns unten!“ Lachend drehte Ian sich um und sprang mit dem Kopf voraus von der Felskante in den See. Kurz darauf tauchte er an der Wasseroberfläche auf. „Der Nächste, bitte!“
    Mehr oder weniger erfreut traten die Studenten an den Rand des Abhangs und starrten in die Tiefe.
    „Wunderbar!“, jubelte Raine. „Zu Hause sind wir immer von den Klippen ins Meer gesprungen.“
    „Und wir in den Fluss!“, rief Crispin enthusiastisch. „Das macht verdammt viel Spaß!“
    „Wenn man schwimmen kann!“, murrte Harper.
    Erstaunt sah Raine seinen Freund an: „Du kannst nicht schwimmen?“
    „Ja, und bevor du lachst, sag mir lieber, wie ich hier runterkomme. Zurücklaufen und außen herum gehen dauert zu lange.“
    „Raine und ich können dich an die Hand nehmen, gemeinsam springen und dich im Wasser hochziehen“, schlug Finley vor. „So haben wir es bei uns am See mit den kleinen Kindern gemacht.“
    „ Du kannst schwimmen, Finley?“, fragte Harper ungläubig.
    „Gönn mir doch auch mal was!“, erwiderte der schmächtige junge Mann.
    „Stimmt. Wir machen es so, wie du vorgeschlagen hast“, sagte Harper. „Aber, wenn du mich absaufen lässt, Finley, bringe ich dich um!“
    Finley lächelte. „Ich werde es mir merken.“
    „Wer kann noch nicht schwimmen?“, wollte Raine wissen.
    Brendan und Nathaniel hoben die Hand.
    „Gut.“ Raine nickte den beiden zu. „Nehmt euch zwei Begleiter, mit denen ihr springt. Dann kommen wir alle sicher hinunter.“ Er sah sich um. „Hey, Korin, was ist mit dir? Kannst du schwimmen?“
    Harper lachte. „Korin ist dürr wie eine Holzspindel, der geht nicht unter.“
    „Ich springe zum Schluss, Raine“, antwortete Eloïse. Das gab ihr Zeit zum Nachdenken, denn sie konnte unmöglich springen! Die nasse Kleidung würde an ihr kleben und unweigerlich ihr Geheimnis preisgeben. Sie musste einen anderen Weg nach unten finden. Leider hatte Harper recht: Zurückgehen ging nicht, da an beiden Seiten des Abhangs Brombeerhecken wuchsen. Dieses Gestrüpp zu durchqueren, war unmöglich, und alles andere wäre ein zu großer Umweg. Sie blickte sich um und ihr kam eine Idee …
    Die erste Dreiergruppe stellte sich an den Rand des Abhangs auf: Crispin und Morton hielten den sehr blassen Brendan in ihrer Mitte. Die anderen Studenten standen um sie herum und sprachen Brendan Mut zu. Raine zählte bis drei, und die Gruppe sprang. Die auf der Anhöhe Verbliebenen applaudierten, als die

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