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Das rote Band

Das rote Band

Titel: Das rote Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dana Graham
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wieder, wenn du dich erholt hast.“ Er lächelte ihr zu und machte sich auf den Weg zur Apotheke, die im Obergeschoss der Burg lag. Die Tür war angelehnt, und nach einem kurzen Anklopfen trat er ein. Ein angenehmer Kräuterduft schlug ihm entgegen. Joanna stand an dem großen Arbeitstisch in der Mitte des Raumes und füllte zerstoßene Salbeiblätter in ein Holzkästchen.
    Sie hob den Kopf und lächelte ihn an. „Ihr seid schon zurück von eurem Waldlauf?“
    Ian ging zu dem Schreibtisch am Fenster. Seufzend ließ er sich auf den Stuhl fallen und berichtete Joanna von den Geschehnissen am See. „Korin ist regelrecht in Panik geraten, als ich ihm helfen wollte, sein Hemd auszuziehen.“
    „Vielleicht hat Korin schlechte Erfahrungen gemacht? Körperliche Züchtigungen vielleicht, für die er sich entkleiden musste.“ Sie zögerte. „Und manchmal nutzen Lehrer die Abhängigkeit der ihnen anvertrauten Schüler auch aus, um sie …“
    Ian nickte. „Und für sein Schweigen hat Korin gute Beurteilungen erhalten, das würde die Diskrepanz zwischen seinem Können und seinen Noten erklären.“
    Angewidert verzog Joanna das Gesicht.
    „Ich wollte Korin nicht drängen, seine Wunden bei dir in der Apotheke versorgen zu lassen“, sagte Ian, „er soll sie selbst behandeln.“
    „Das ist unter diesen Umständen das Beste“, stimmte sie zu. „Ich packe alles in einen Korb, den kann eine Dienstmagd ihm zusammen mit seinem Essen vorbeibringen.“
    „Apropos Essen“, fragte Ian. „Setzen wir uns heute beim Mittagessen zusammen? Wir haben die ganze Woche über brav an getrennten Tischen verbracht.“ In den vergangenen Tagen hatten ihm Galad und Lord Tennison oft Gesellschaft bei den Mahlzeiten geleistet, aber das Gefühl der Ausgrenzung blieb, genau wie seine Sehnsucht nach Joanna. „Ich vermisse es, mit dir gemeinsam zu essen.“
    „Ich auch, aber ich habe schon gegessen“, gestand Joanna und wies auf den leeren Teller auf ihrem Schreibtisch. „Ich muss gleich in mein Zimmer und mich umziehen. Jake erwartet den Earl und die Countess of Kindale. Heute ist der Jahrestag der Schlacht von Clainfield, und Jake hat das Ehepaar eingeladen, ihn mit uns zu feiern. Ich muss Lady Kindale den ganzen Tag Gesellschaft leisten.“
    „Dann komm beim Abendessen zu mir“, schlug Ian vor.
    Joanna schüttelte bedauernd den Kopf. „Lord und Lady Kindale übernachten in Greystone. Wir beide treffen uns erst heute Nacht wieder.“
    Ian gelang es nicht, seine Enttäuschung zu verbergen. „Langsam bekomme ich das Gefühl, ich sehe dich nur noch im Dunkeln“, erwiderte er.
    „Die Zeit im Jagdhaus hat mir auch besser gefallen“, gab Joanna zurück. Seufzend fügte sie hinzu: „Was machst du heute noch?“
    „Den Nachmittag werde ich in meinem Zimmer verbringen und mir Notizen zu den Kampffertigkeiten der Studenten machen und meine nächsten Stunden planen“, antwortete Ian verstimmt. „Und für heute Abend hat mich Tam in die Soldatenunterkünfte eingeladen.“ Er zuckte mit den Schultern. „Da du keine Zeit für mich hast, werde ich wohl hingehen.“
    Ein trauriger Ausdruck überzog ihr Gesicht, und Ian stand auf und trat zu ihr. „Es tut mir leid“, entschuldigte er sich.
    Joanna nickte. „Für mich ist dieses Versteckspiel auch nicht leicht.“ Nach einem raschen Blick zur Tür hob sie die Hand und fuhr mit den Fingern die Konturen seines Gesichts nach. „Aber ich klammere mich an die Hoffnung, dass wir bald verheiratet sind.“
    Ian lächelte. „Du hast recht. Alles wird gut werden.“
     

10
     
Burg Adcoque
     
    „Mein lieber Freund Jake hält also an dem ehrlosen Fechtmeister fest?“ Der Viscount of Adcoque stand mit verschränkten Armen vor dem Fenster und runzelte die Stirn. Er beobachtete noch eine Weile die untergehende Sonne, bevor er sich dem jüngeren Mann zuwandte, der vor ihm stand. „War es schwierig, Greystone zu verlassen?“
    „Nein, niemand hat Verdacht geschöpft.“
    „Gut. Keiner darf wissen, dass wir beide in Verbindung stehen.“
    Sein Besucher nickte zustimmend. „Wie sieht das weitere Vorgehen aus?“
    „Ich will den Fechtmeister! Aber wir müssen vorsichtig sein.“ Adcoque strich mit den Fingern an der Narbe an seinem Hals entlang. Den Fehler, den jungen Earl of Greystone zu unterschätzen, würde er nur einmal begehen. „Entweder wir warten ab, bis dieser Geächtete die Ländereien von Greystone verlässt oder wir entführen ihn aus der Burg.“ Ein Lächeln umspielte seine Lippen.

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