Das Rote Kornfeld
antwortete Vater. «Wir können nicht zulassen, dass sie Menschenfleisch fressen.»»
Fast tausend Leichen lagen im Sumpfland. Das Jiao-Gao-Regiment hatte sie eingesammelt, aber nicht die Zeit gehabt, sie richtig zu begraben. Als der Herbstregen die schwarze Erde erst in Schlamm verwandelte und dann wegwusch, wurden die Leichen, über die man nur ein paar Schaufeln Erde geworfen hatte, freigelegt. Nun war die Zeit der wilden Hunde gekommen. Im Dauerregen blähten sich die Leichen auf und verbreiteten Todesgestank.
Die Hundemeute bestand bestimmt aus sechshundert Tieren. Angeführt wurden sie von unseren drei Familienhunden : dem Roten, dem Grünlichen und dem Schwarzen. Das Hundeheer rekrutierte sich zumeist aus Dorfhunden, deren ehemalige Herren im Sumpfland verfaulten. Die übrigen, die von Jagdeifer gepackt zur Meute stießen, waren Hunde aus benachbarten Dörfern. Sie hatten ein Zuhause, in das sie zurückkehren konnten.
Die Jäger teilten sich in drei Gruppen: Vater und Mutter, Wang Guang und Dezhi, der Lahme und der Blinde. Sie postierten sich in Gräben, die sie in den Sumpf gegraben hatten, und wachten über die drei Pfade, die die Hunde am Rande des Hirsefeldes ausgetreten hatten. Vater trug sein Gewehr, Mutter hatte ihren Karabiner. «Douguan, warum treffe ich nie das, worauf ich ziele?» fragte sie.
«Du bist zu nervös. Wenn du sorgfältig zielst und dann auf den Abzug drückst, schießt du auch nicht vorbei.»
Vater und Mutter beobachteten den Pfad in der südöstlichen Ecke des Feldes, eine halbmeterbreite gewundene weiße Narbe im Boden. Niedergetrampelte Hirsehalme bedeckten den Beginn des Pfades und bildeten einen Schutzschirm, hinter dem die Hunde spurlos verschwinden konnten. Die Meute, die diesen Pfad benutzte, wurde von dem Roten angeführt, dessen Fell von der reichlichen Nahrung aus menschlichen Leichen dicht und glänzend geworden war und der gut trainierte und kräftige Beine hatte. Der Kampf gegen die Menschen hatte seinen Verstand geschärft.
Als die Sonne rotstrahlend am Himmel aufstieg, lagen die Pfade still und nebelverhüllt da. Nach einem Monat wechselvoller Kämpfe war die Hundearmee geschrumpft. Jetzt lagen wohl hundert von ihnen zwischen den menschlichen Leichen, und Hunderte weiterer Hunde hatten den Kampf aufgegeben. Die etwa zweihundertdreißig Hunde, die noch da waren, teilten sich immer wieder in einzelne Rudel auf, und da Vater und die anderen immer bessere Schützen wurden, blieben nach jedem stürmischen Angriff mindestens ein Dutzend Hundeleichen auf dem Schlachtfeld. In den Kämpfen zwischen Menschen und Hunden zeigte sich die intellektuelle und technische Unterlegenheit der Hunde.
An einem Tag warteten Vater und die anderen auf den ersten Auszug der Hunde, wie man bei Tisch darauf wartet, dass das Essen aufgetragen wird. Vater hörte in der Ferne ein Rascheln in der Hirse und sagte mit gedämpfter Stimme: «Achtung, sie kommen.» Leise entsicherte Mutter ihr Gewehr und legte den regennassen Kolben an die Wange. Das Rascheln strömte wie eine Meereswelle auf den Rand des Sumpflands zu, und Vater konnte das Hecheln der Hunde hören. Er wusste, dass Hunderte von Hundeaugen auf die gebrochenen und zerrissenen Glieder im Sumpf gerichtet waren, dass rote Hundezungen Mundwinkel leckten, in denen faulige Fleischfetzen hingen, und dass grüne Galle in den Mägen knurrte.
Wie auf Kommando brachen mehr als zweihundert wild bellende Hunde aus dem Hirsefeld. Ihr Nackenhaar war gesträubt und zischte zornig im Wind. Glänzendes Fell glitzerte unter den roten Strahlen der nebelverhangenen Sonne. Von ihrer Gier getrieben, rissen die Hunde das Fleisch von den Knochen der Leichen. Wang Guang und der Lahme eröffneten das Feuer. Die verwundeten Hunde winselten vor Schmerz, und die, die nicht getroffen waren, zerrten weiter wütend an ihrer Beute.
Vater zielte auf den Kopf eines ungelenken schwarzen Hundes und drückte den Abzug durch. Der Hund schrie auf, als die Kugel sein Ohr zerriss, und verschwand hinter den Hirsestauden. Dann sah Vater, wie der Kopf eines weißgefleckten Hundes explodierte, als das Tier mit einem Stück dunklen Darms im Maul zu Boden ging. Es gab keinen Laut von sich. «Qian’er, du hast getroffen», rief er.
«War ich das?» quietschte sie aufgeregt. Vater nahm den Roten ins Visier. Den Bauch eng an den Boden gepresst, pirschte sich der Hund in gestrecktem Lauf von einer Pflanze zur anderen. Vater drückte auf den Abzug, und die Kugel verpasste den
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